Bergedorf. Einziger Anbieter stellt Mammografie vorerst ein, Alternativen in anderen Bezirken sind schwer zu bekommen. Woran es liegt.
Wie Renate Zahlmann bekommen in diesen Tagen viele Frauen aus ganz Hamburg und Umgebung Post von der Conradia-Radiologie. Es ist die Absage des bereits reservierten Termins für die Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung. Mehr noch: Das sechs Zeilen kurze Schreiben weist darauf hin, dass es auf absehbare Zeit keinen Ersatztermin für eine Mammografie geben kann, denn Conradia habe „der Personalmangel ereilt“.
Renate Zahlmann traute ihren Augen nicht, braucht die Lohbrüggerin nach einer vor Jahren überstandenen Brustkrebs-Erkrankung doch weiter regelmäßig Untersuchungstermine. „Seit 2004 schon bin ich bei Conradia. So was habe ich noch nie erlebt“, sagt die 68-Jährige, die sofort alle Hebel in Bewegung setzte. „Ich habe Mammografie-Praxen in ganz Hamburg und darüber hinaus angerufen. Aber die sind alle überlaufen. Einen Termin gibt es frühestens für Ende Februar, vielfach erst im März 2023.“
Brustkrebs-Vorsorge: „Die Lage ist dramatisch“
„Die Lage ist dramatisch“, bestätigt der Bergedorfer Gynäkologe Dr. André Motamedi. „Ohne Conradia gibt es in Bergedorf gar keine Mammografie mehr. Alternativen finden sich in der Hamburger Innenstadt, und zudem gibt es eine Praxis am St.-Adolf-Stift in Reinbek. Aber die Wartezeiten sind erheblich.“ Für das Routine-Screening alle zwei Jahre für gesunde Frauen ab 50 Jahre sei zwar der Mammografie-Bus eine Alternative. „Aber dort werden keine Patientinnen behandelt, die mit ärztlicher Überweisung kommen. Dafür ist das Team des Busses nicht vorgesehen.“
Als Ursache der Engpässe bei Conradia gilt neben der Corona-Pandemie mit ihrer Kündigungswelle im gesamten medizinischen Bereich insbesondere der Verkauf des Unternehmens an die Gruppe Med 360˚ zum 1. April dieses Jahres. Seither läuft die einjährige Übergangsphase, die offenbar zu einigen Turbulenzen im Mitarbeiterstamm führte. Jedenfalls haben die beiden Radiologinnen mit der für Mammografie zwingend vorgeschriebenen Zusatzqualifikation Conradia jetzt verlassen.
Brustkrebs-Vorsorge: Anbieter sucht mit Hochdruck Fachpersonal
„Wir suchen mit Hochdruck Nachfolger, haben sogar Headhunter und Vermittlungsagenturen eingeschaltet. Aber der Arbeitsmarkt ist wie leer gefegt, sowohl bei den Ärzten als auch dem medizinisch-technischen Fachpersonal für Radiologie, kurz MTRA, das in der Mammografie eingearbeitet ist“, sagt Dr. Kerstin Scholz, Leiterin des Conradia-Standorts am Bethesda Krankenhaus, wo die Bergedorfer Mammografie angesiedelt ist – die einzige des Unternehmens in ganz Hamburg. Dr. Scholz hofft auf schnelle Neueinstellungen, „aber bisher kann ich keine realistische Terminierung für den Neustart unserer Mammografie nennen“.
Renate Zahlmann hat Glück gehabt: Über eine persönliche Empfehlung ist es ihr gelungen, in Wandsbek doch noch einen Termin für September zu ergattern. „Aber das hat tagelange Arbeit am Telefon gekostet. Ich fürchte, wer in Sorge ist, erkrankt zu sein, kann so viel Energie nicht mehr aufbringen.“