Bergedorf. Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und ihre Hobbys: Unsere Serie startet mit Mirco Pohl, der Hunde trainiert.
Wer mit der Buslinie 120 über den Deich fährt, im X 80 sitzt oder mit der Linie 12 unterwegs ist, kann sich auf eine königliche Begleitung freuen. Und sie wedelt mit dem Schwanz: Sarah ist ein kuschelige Königspudel-Dame, die sich gern von den Fahrgästen streicheln lässt. Die Fünfjährige gehört zu Busfahrer Mirco Pohl. „Ich bin immer gleich ruhiger, wenn sie dabei ist. Aber bei der Hitze gerade geht das natürlich nicht gut“, meint der 50-Jährige, der erst seit Februar 2020 bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) arbeitet – und Sarah stets mitbringen darf, denn sie ist seine Assistenzhündin.
„Früher habe ich mal bei einem Abschlepp- und Bergungsdienst gearbeitet, mir dabei aber den Rücken kaputtgemacht“, sagt Mirco Pohl, der seither als schwerbeschädigt gilt. Sarah kann für ihn Sachen aufheben, hat ein spezielles Geschirr samt Stützbügel. „Das hilft mir, Stabilität und Gleichgewicht zu finden“, sagt der Mann, dem in der Reha vor 14 Jahren angeboten wurde, eine Ausbildung zum Hundetrainer zu machen – mit Abschluss bei der Industrie- und Handelskammer.
Manche Tiere verschwinden bei der Übergabe, wenn die Laster kommen
In jener Zeit lernte er auch seine Frau kennen, die in der Schweiz Hunde-Psychologie studiert hat. In Berlin schließlich konzentrierten sich beide auf die Ausbildung von Pettrailing: Es geht um Hunde, die mittels Individualgerüchen eine Spur verfolgen können. Denn tatsächlich verschwinden viele Haustiere, etwa weil es an Silvester knallt oder weil sie in der Ferienzeit zur Mutter oder zum Schwager gebracht werden, so Pohl: „Manche verschwinden auch bei der Übergabe, wenn der Laster aus Rumänien, Bulgarien oder Portugal auf einem Parkplatz im Gewerbegebiet hält und die Tiere einfach abhauen. Dann ärgern sich die Tierschutzvereine natürlich, weil sie 500 Euro pro Vermittlung kassieren.“
Vielfach aber würden die Tiere auch weglaufen, wenn sie in einer Großstadt mit einem Dog-Walker unterwegs sind: „Die betreuen manchmal 20 bis 30 Tiere, da verschwindet schnell mal ein Hund“, meint Pohl – und erinnert sich an den entlaufenen Dackel, der vor zwei Monaten in Berlin gesucht wurde. Jetzt kamen die Pettrailer zum Einsatz: Momo (4) ist ein weißer Pudel, Merlin ein schon zwölfjähriger Großpudelrüde mit Vorerfahrung als Blindenhund.
Zehn Tage ohne Nahrung sind möglich, aber nur drei Tage ohne Wasser
Pohl: „Wir fuhren also nach Berlin und hörten, dass der Dackel immer wieder zu den S-Bahngleisen gelaufen sei. Unsere angemeldete Drohne hat das bestätigt, also informierten wir die Bundespolizei, die das Tier fand – erfasst von einer S-Bahn.“ Wahrscheinlich habe der Dackel Hunger gehabt und zwischen den Gleisen Aas gesucht, zum Beispiel tote Füchse: „Und dann hat der Hunger wohl die Furcht besiegt.“
Zehn Tage ohne Nahrung seien möglich, aber nur drei Tage ohne Wasser. Der entlaufene Ridgeback namens Adjo wurde nach sechs Tagen auf einer Grünfläche zwischen zwei Autobahnen gefunden. „Meine Frau war mit Merlin im Einsatz, ich habe die Logistik überwacht, hatte also das Umfeld im Auge und die Wasserversorgung“, erzählt der 50-Jährige, der schließlich die Feuerwehr rufen musste, die mit einer Gelenkmastbrücke helfen konnte: Adjos Besitzer waren überglücklich und zahlten gern 1500 Euro.
Die Pohls haben sieben Hunde, zwei Ponys und drei Meerschweinchen
Ein Pettrailer koste üblicherweise 100 Euro pro Stunde – das ist es den Menschen wert, die ihr Tier als Sozialpartner brauchen und lieben. Das können die Pohls gut verstehen, die im Jahr etwa 20 Einsätze fahren – und selbst Tiere lieben: Daheim in ihrem Dorf Langenlehsten bei Büchen halten sie auf 3500 Quadratmetern sieben Hunde, zwei Ponys und drei Meerschweinchen – über Letztere freuen sich insbesondere Tochter (7) und Sohn (3). „Das klingt nach Romantik, ist aber auch Arbeit“, sagt Mirco Pohl, der in Vollzeit auf dem Busbetriebshof in Lauenburg eingesetzt ist.
Mit seiner Frau gründete er den Verein Tierrettung Nord, der einmal monatlich in Geesthacht und Lauenburg Futterspenden verteilt. Außerdem wird er gern gerufen, wenn hinter einer Heizung eine Schlange gesichtet wird. Oder als ein Hund von der Brücke der B 404 geworfen und an der Fischtreppe gefunden wurde. Einmal rief auch das Lauenburger Ordnungsamt um Hilfe: „Eine Seniorin war von einer Bulldogge angegriffen worden, hatte eines Teil ihres Kiefers herausgebissen“, erzählt der Hundetrainer, der von einer Tierärztin das Medikament bekam, um der Bulldogge schließlich eine Distanznarkose zu verabreichen – per Pfeil. Im Übrigen stellte sich später heraus, dass das Tier unter einem drückenden Hirntumor gelitten hat.
Mancher Tierhalter braucht einen Abschluss, um sich zu verabschieden
Starke Nerven sind gefragt – auch nach der Überschwemmung im Ahrtal: „Ob Kuh, Katze oder Mensch, hier riecht es überall nach Tod“, hieß es am Telefon, gefolgt von der besorgten Frage, ob die Pohls auch Leichenspürhunde hätten, so wie die Polizei zum Beispiel. Hatten sie nicht. Seither jedoch gibt es ein neues Projekt: Königspudel Sarah wird derzeit zum Kadaverspürhund ausgebildet. Sie soll tote Tiere finden, denn „mancher Tierhalter braucht einen Abschluss, um sich zu verabschieden. Sarah hingegen hat da einfach nur Spaß dran, sie hat jedenfalls keine moralischen Bedenken“, meint Mirco Pohl.
Jetzt also wird knapp zwei Jahre lang trainiert – das Ziel: finden, anschlagen, aber nicht berühren, da der tote Körper mit Krankheiten versetzt sein könnte. Gearbeitet wird mit bio-chemischen Gerüchen, die an Verwesung erinnern. Man könnte auch rohes Rindfleisch vergären lassen – „das war ja auch mal Tier“, so der 50-Jährige, der aber lieber Tierärzte nach Leichentüchern fragt oder Säcken, in denen Tiere in die Kadaverentsorgungsanstalt gebracht werden.
Riecht ein Hunderter komplett anders als ein Fünf-Euro-Schein?
Jedenfalls scheint der Bereich des Hundetrainings riesig zu sein: „Einmal fragte uns das Berliner Finanzamt nach Bargeldspürhunden“, erzählt Mirco Pohl und erklärt, dass Gerichtsvollzieher und Nachlassverwalter hier durchaus Bedarf sehen. „Manchmal müssen die ja Grundstücke durchsuchen, das ist aber kein hoheitlicher Einsatz von Polizei oder Zoll.“
Und so übt er jetzt mit dem Deutschen Schäferhund namens Metallica. Jährlich werden bei der Bundesbank in Frankfurt fünf Kilogramm Bargeld-Schnipsel bestellt, das sind alte Mark- und Euro-Scheine. „Die gibt es auch in Rollen“, so der Trainer, der mit Metallica in alten Lagerhallen übt oder das Geld in einem Schließfach am Hauptbahnhof versteckt. Wobei noch nicht herausgefunden wurde, ob ein Hunderter irgendwie komplett anders riecht als ein Fünf-Euro-Schein.
Mit Drogen hat Mirco Pohl seine Hunde bislang verschont
Das ist auch kompliziert: „Bei den Sprengstoff-Suchhunden hat man sich immer gewundert, warum sie in Hotels beim Lichtschalter neben dem Bett anschlagen. Dann haben Chemiker herausgefunden, dass die Nachtcremes von Frauen eben oft Nitroglycerin enthalten“, so Mirco Pohl.
Aber mit Drogen hat er seine Hunde bislang verschont – da er ja weiß, dass Sarah viel lieber Bus fährt. Allerdings nicht bei der Hitze, da geht sie lieber mit auf den Übungsplatz: „Ich bin ja auch noch Prüfer für den bundesweiten Hunde-Führerschein“, sagt Mirco Pohl, der – man vergisst es leicht – in erster Linie VHH-Busfahrer ist.