Hamburg. Ronald Sawatzki hat viele Jahre auch für die Bergedorfer Zeitung fotografiert. Da gibt es einige Geschichten zu erzählen.
Einfach „Blende uff und druff“? Das gehe zwar meist ganz gut, aber „so einfach ist es eben doch nicht“, meint Ronald Sawatzki. Ein Pressefotograf muss auch mitdenken, arrangieren, feinfühlig in Szene setzen, dabei ein bisschen Small Talk machen und möglichst zufriedene Gesichter hinterlassen – wenn auch nicht immer auf den Abzügen: Schmerzverzerrte Fußballer, melancholisch blickende Sänger, weinende Flüchtlinge und wütende Politiker gehören dazu wie verschwitzt-abgekämpfte Hafenarbeiter und Gruftie-Kids, die sich mit eiskalter Mine neben Grabsteinen ablichten lassen.
Wie bunt die Menschheit ist, erahnte er bereits in seiner Kindheit in Billstedt: „Da gibt es auch ganz viele Einfamilienhäuser", betont Sawatzki gern, um jegliche Stereotypen in den Schatten zu stellen. Die Billstedter Stadtteilkultur in ein gutes Licht zu tauchen, war sein erstes Ansinnen, als er Anfang der 70er-Jahre von seinen Eltern eine Minolta mit lichtstarkem Objektiv geschenkt bekam. Das war der Anfang einer Leidenschaft, die ihn bis heute – er ist 67 Jahre alt – durchs Leben trägt: „Ich habe viel erlebt, und finanziell hat es gut gereicht“, erzählt der Fotograf, der jahrzehntelang für die Bergedorfer Zeitung tätig war – ein gerngesehener Kollege in der Redaktion. Immerhin gab es anfangs 30 Mark pro Schwarz-Weiß-Aufnahme. „Wer ein entwickeltes Farb-Dia für die Titelseite ablieferte, bekam sogar 150 Mark.“
Die Ausstellung in Hamburg ist auch eine Hommage an die Stadt
Entwickler, Wasserschalen, Fixierer und Rotlicht brauchte es daheim im Badezimmer, wo die Bilder dann an einer Leine hingen. „Damit es schneller ging, habe ich den Föhn genommen.“ Natürlich musste es schnell gehen, damit die Theaterfotos noch nachts per Hand mit den Schauspieler-Namen beschriftet werden konnten. Dann ging es mit dem alten Golf zu verschiedenen Hamburger Redaktionen: „Als Freier Mitarbeiter darfst du nicht eingleisig fahren, musst viele Kontakte haben“, weiß Ronny, der an hektischen Tagen drei Fußballspiele in zwei Halbzeiten fotografierte.
Mit drei weiteren, altgedienten Pressefotografen stellt er nun eine „Hommage an Hamburg“ aus: Gut 300 Werke zeigt er bis zum 14. August mit Klaus Bodig, Jürgen Joost und Andreas Laible in der Fabrik der Künste. „Ein eindrucksvolles Lebenswerk, das Hamburgs Geschichte der letzten vier Jahrzehnte zeigt“, lobt Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien.
Nicht nur Prominenz fotografiert – gern auch das Menschelnde
Das Team von Bergedorf ‘85 im Schlosspark und 2005 im Trainingslager auf Mallorca, die ersten Baseball-Ligaspiele im Billtal-Stadion, Bürgermeister Henning Voscherau mit Hockeyschläger beim TTK Sachsenwald, Neo-Country-Bands beim Wutzrock-Festival oder auch Angela Merkel im Juni 1993 bei einer Ruderregatta in Ratzeburg – „damals tatsächlich noch mit dieser trutschigen Pottschnittfrisur“, erinnert sich der Fotograf. Obwohl er, wie offenbar alle Fotografen weltweit, die scheinbar unvermeidliche schwarze Lederjacke trug („wir sahen eben alle aus wie Johnny Cash“), waren Prominente nicht das beliebteste Ziel vor seiner Linse: „Die Rote-Teppich-Termine habe ich eigentlich gehasst, aber es gab eben gutes Geld.“
Lieber stand ihm das Menschelnde im Vordergrund, so 1989 die Grenzöffnung in Boizenburg oder die Demos beim Boehringer-Werk Anfang der 90er in Moorfleet, worüber die Bergedorfer Zeitung wochenlang berichtete. Nicht immer aktuelle News mussten es sein: „Ich habe auch mal in einer Boizenburger Hafenkneipe die robuste Cannon F 1 mit Langzeitbelichtung einfach auf den Tisch gestellt“, erzählt Ronald Sawatzki, der sich auch über Schnappschüsse freute – so etwa beim Kurt-Cobain-Konzert vor 1000 Leuten in der Markthalle: „Das war kurz vor dem Nirvana-Weltdurchbruch“, schwärmt der Mann, der einst den Schul-DJ machte und noch heute mehr als 1000 Vinyl-Platten besitzt.
Sein Blitzlicht fiel auf den Reeperbahnfest-Macher Alex Schulz, als der noch bei Konzerten im Reinbeker Jugendzentrum auflegte. Auf Schlagerstar Heino, der mit seiner Hannelore mit dem Wohnmobil zum Hamburger Fischmarkt kam, ebenso auf den Schauspieler Morgan Freeman, der „nie nein oder warum sagte, alles mit sich machen ließ“ – anders etwa als der ehemalige Bergedorfer Bezirksamtsleiter Arne Dornquast: „Der wollte auf keinen Fall mit Pistole fotografiert werden, dabei sollte er doch den Startschuss für den Bergedorfer Citylauf geben“, erinnert sich Ronald Sawatzki schmunzelnd.
Dass er selbst den kräftigen Bauch nicht auf seinem Porträt sehen will, ist ebenso verständlich wie bei anderen Menschen, die es sensibel zu fotografieren gilt: „Nur mit verschränkten Armen auf der Tartanbahn“, ließ er bei Bürgermeister Olaf Scholz auf der Jahnkampfbahn nicht gelten: Der Platzwart schleppte Hürden an, „das passt doch zur Politik“. Auch Katharina Fegebank sollte nicht hilflos im Tretboot sitzen: „Lieber auf dem Steg und die Füße ins Wasser baumeln lassen“, schlug der Pressefotograf der Grünen-Politikerin vor. „Bitte das Sakko locker auf und nicht so steif gucken“, hörte indes Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher, als auf dem Rathaus-Balkon seine Autogrammkarte entstand.
Unzählige Geschichten wären noch zu erzählen, aber nur ein einziges Mal („ganz ehrlich“) hatte er tatsächlich vergessen, einen Film einzulegen. Hatte er sich über Fotos von den Rolling Stones geärgert („der Vertrag sah nur eine einmalige Nutzung vor“), ein einziges Mal knirschte es gewaltig („als ich in Maschen mit meiner Nikon D 3 S unglücklich von einer Rangier-Lok sprang“).
Doch längst vergessen sind die Knie-Schmerzen, auch die Ellenbogen-Gefechte der Fotografen um die beste Position vor der Bühne. Oder die hitzköpfigen Diskussionen mit den Textern, die einen „völlig falschen Bildschnitt“ gewählt hatten. „Fotografie als Waffe“ hieß zwar eines seiner ersten Fachbücher, aber heute ist sein Rückblick auf 40 Jahre Pressefotografie weit milder: „Jedes Foto ist ein Streiflicht aus einer Zeit, in der die Menschen noch mehr Wärme und Herzlichkeit ausstrahlten“, sagt der Mann, der eben nicht Hamburger Geschichte schrieb – sondern fotografierte.
Die Foto-Ausstellung in der Fabrik der Künste am Kreuzbrook 12 ist dienstags bis freitags zwischen 15 und 19 Uhr geöffnet, dazu an den Wochenenden von 12 bis 18 Uhr. Eintritt: 5 Euro – wobei jeder Dienstag freien Eintritt verspricht.