Bergedorf. Modellprojekt soll Menschen mit geistiger Behinderung und die Sportangebote für sie fördern. Die Details.

Vielen Menschen mit geistiger Behinderung sind Auftritte in der Öffentlichkeit unangenehm. Selbst Mannschaftssport oder Gespräche in größeren Gruppen werden von vielen gemieden. Zu groß die Angst, wegen der Behinderung schief angeschaut oder sogar gemobbt zu werden. Dabei gibt es gerade in Bergedorf längst etliche Angebote für sie: Sportlich in den Vereinen TSG Bergedorf und SV Nettelnburg/Allermöhe, schulisch unter anderem am Weidemoor in Boberg und gesellschaftlich in diversen sozialen Institutionen.

„Doch vieles davon ist für die Betroffenen nicht sichtbar. Und wenn doch, gibt es große Hemmschwellen“, sagt Lina Peters. Ein Zustand, den die 27 Jahre alte Sportmanagerin in den kommenden Monaten ändern will: Bergedorf ist als eine von 30 Kommunen in Deutschland für das Modellprojekt LIVE ausgewählt worden. Hinter der Abkürzung für „Lokal Inklusiv Verein(tes) Engagement“ steht der Verband Special Olympics Deutschland. Finanziert wird alles vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Inklusion: 7000 Athleten kommen 2023 nach Berlin

Das Projekt soll den Schwung der Special Olympics World Games nutzen, die im Juni 2023 mit 7000 geistig und mehrfach behinderten Athleten aus 190 Nationen nach Berlin kommen. So kann diesem Personenkreis mehr Aufmerksamkeit und nicht zuletzt auch mehr Selbstsicherheit vermittelt werden. „In Bergedorf hat sich das Bezirksamt um unser Projekt beworben. Insofern setze ich auch auf eine enge Kooperation mit der Verwaltung“, sagt Lina Peters, die der Verband als LIVE-Koordinatorin für Bergedorf, den Bezirk Hamburg-Nord und Bremerhaven eingesetzt hat.

„Es soll zunächst ein Netzwerk aller Vereine und Institutionen aufgebaut werden, bevor wir uns gezielt den Menschen mit geistiger Behinderung widmen“, beschreibt Lina Peters. „Sie sollen erzählen, was sie sich an Sport- und Bildungsangeboten wünschen, was aus ihrer Sicht bereits gut läuft und was noch verbessert werden muss.“

Lina Peters, Regionalbeauftragte Bergedorf, HH-Nord, Bremerhaven.
Lina Peters, Regionalbeauftragte Bergedorf, HH-Nord, Bremerhaven. © Special Olympics Hamburg | Special Olympics Hamburg

Darauf aufbauend folgt der wichtigste Baustein des LIVE-Projektes: Bergedorfer mit geistiger Behinderung werden zu sogenannten Teilhabe-Beauftragten ausgebildet. Das umfasst eine zweitägige Schulung in Gruppen von fünf bis acht Personen, die sich auch anschließend regelmäßig treffen, um Erfahrungen auszutauschen. In den zwei Tagen lernen die Teilnehmer, wie sie ihre Zurückhaltung aufgeben und die eigene Meinung überzeugend vertreten können. Auch wird Mut gemacht, in Gesprächen eigene Ideen einzubringen. Und schließlich erfahren sie viel über Demokratie, ihre Rechte und die Strukturen, wie sie in ihrer Kommune mitentscheiden können – in Bergedorf also an die Bezirksversammlung und andere Institutionen herantreten.

Menschen werden quasi zu Experten in eigener Sache

„Wir machen die Menschen mit Behinderung quasi zu Experten in eigener Sache“, sagt Lina Peters. „Und sobald sie aktiv mitreden, haben alle etwas davon. Denn nur wenn sie sich Aufmerksamkeit verschaffen, kann das lokale Miteinander wirklich behindertenfreundlich gestaltet werden.“ Ein Ergebnis könnte sogar sein, dass neben Schülern der Schule Weidemoor weitere Bergedorfer bei den Special Olympics World Games antreten.

Wer Kontakt zur LIVE-Koordinatorin aufnehmen möchte, erreicht Lina Peters per E-Mail an info@hamburg.specialolympics.de; umfangreiche Infos gibt es unter hamburg.specialolympics.de.