Hamburg. Sie füttern und streicheln und wechseln Windeln: Schüler setzten sich in einem Projekt mit der Verantwortung für ein Baby auseinander.

Gähnend sitzen die acht Jugendlichen der Hebamme gegenüber: Immerhin drei Tage und zwei Nächte lang haben sie sich um ihre Babys gekümmert – vielmehr Simulatoren, die schreien, wenn sie Hunger haben, gefüttert oder gewickelt werden wollen. „Wie lange dauert es, bis so ein Kind auf die Welt kommt?“, fragt die 15-jährige Zohal, die eine neunte Klasse der Gretel-Bergmann-Schule besucht. Sie hat sich für das Projekt „Babybedenkzeit“ gemeldet und den vielleicht drei Monate alten „Timmi“ betreut, um mal zu testen, wie sich eine Elternschaft anfühlt.

„Im Durchschnitt dauert es zwölf Stunden bei der ersten Geburt“, antwortet Hebamme Bozena Kaniewska, die mit der Pestalozzi-Stiftung und dem Internationalen Bund (IB) das Projekt begleitet: „34 Prozent der Geburten in Deutschland sind geplante Kaiserschnitte. Manchmal auch, weil die Mutter sich die Schmerzen nicht zutraut“, sagt die Polin.

Organisation bietet anonyme Schwangerschaftskonflikt-Beratung an

Sehr begeistert und einfühlsam kann sie im Neuallermöher Jugendzentrum Stein-Juz den Pubertierenden erklären, dass Neugeborene nun mal nachtaktiv sind: „Die kommen ja von einem Planeten, wo nie Stille war. Da schlug Mamas Herz, machte ihr Atem Geräusche, blubberte ihr Darm. Deshalb mögen es Babys nicht, wenn sie plötzlich allein in einem ruhigen Bettchen liegen sollen“, erklärt die zweifache Mutter – und wird prompt von Geschrei unterbrochen.

Flugs eilt eine 15-Jährige zum Sofa, wo sie „Aaron“ abgelegt hatte: Die Babypuppe verlangt nach dem Milchfläschchen. „Es sind nicht immer nur Hunger, volle Windeln oder Bauchschmerzen. Das Baby will zurück in seine geschützte Höhle und möchte auf den Arm genommen werden“, sagt die Hebamme und hat gelesen: „Gestillte Kinder sind angeblich intelligenter.“ Die sogenannten „langkettigen Fettsäuren“ in der Muttermilch sind für die Hirnentwicklung bedeutsam, vermuten Mediziner.

Die Jugendlichen (manche tragen noch eine Zahnspange) hören gespannt zu – wie auch schon am Vormittag, als sie im Altonaer Familienplanungszentrum erfuhren, dass es eine kostenlose Verhütungsberatung gibt und eine anonyme Schwangerschaftskonflikt-Beratung. „Es geht darum, dass man nicht unerfahren in eine Schwangerschaft geht und das Kind nicht vernachlässigt, auch nicht schüttelt“, sagt Lea Heinelt vom IB, der dank Spenden der Buhck-Stiftung über insgesamt zehn solcher Real-care-Babys verfügt „und gern auch an andere Schule ausleiht“.

„Man muss sich ständig dem Kind anpassen“

Erstaunt erfahren die Schüler, dass eine Erstausstattung für Säuglinge etwa 1500 Euro kostet. Aber keinesfalls soll das Baby-Praktikum davon abschrecken, Eltern zu werden – bloß eben informiert.

„Süß, aber ganz schön anstrengend“, fand Muaz, der einzige Junge in der Gruppe, seine erste Nacht mit Baby. Obwohl beim Simulator die richtige Liebe zum Kind fehle, hat er schon gelernt: „Das geht gar nicht, wenn man mal einen Beruf hat, wo man 70 Stunden arbeitet“, meint der Schüler, der später Investmentbanker werden will.

„Man kann nichts aufschieben und später machen und muss sich ständig dem Kind anpassen“, erfuhr die 15-Jährige Zohal. Sie hat vier Geschwister und ahnt nun die Leistung der Eltern: „Das bringt wirklich viel Verantwortung.“ Deshalb will Zohal nach dem Abi lieber erst Jura studieren, Anwältin für Strafrecht werden und das Leben genießen: „Auf jeden Fall will ich meinem Kind was anbieten können, damit wir nicht obdachlos sein müssen.“