Bergedorf. Amtsgericht Bergedorf urteilt über 26-Jährigen, der ein Handtuch anzündete. Warum er das tat, Und was der Richter ihm sagt.
Das ewige Geschrei von morgens bis abends, das dauernde Gerede über Drogen, das sei „nicht seine Welt“. Doch Balint C. ist verunsichert, der Slowake spricht für sein Dafürhalten nicht gut genug Deutsch, um das auszudrücken, was er möchte. Am 4. März 2021 handelt er kurzschlussartig – wie einige Male zuvor in seinem Leben: Der Häftling aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder zündet mit einem Feuerzeug ein kleines Handtuch in Zelle 38 auf Station 5a an, um endlich verlegt zu werden. Der Zellenbrand wird rechtzeitig gelöscht, niemand kommt zu Schaden. Nun ist der 26-Jährige vor dem Amtsgericht Bergedorf wegen Brandstiftung zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt – es ist die mittlerweile dritte, seitdem C. in Deutschland lebt.
Dabei ist die Geschichte des Mannes mit der sichtbaren Narbe auf dem kahlen Schädel schon tragisch. Saal 115, Balint C. spricht in gut verständlichem Deutsch. „Ich bin im Kinderheim aufgewachsen. Meine Mutter hat mich einfach weggeschmissen.“
In der Slowakai Job und Wohnung verloren
Er versucht dennoch, etwas aus seinem Leben zu machen, lernt Schlosser in seiner Heimat und arbeitet auch in dem Job. Bis zum nächsten Tiefschlag: Der junge Mann mit den listigen Augen verliert Job und Wohnung. Vor vier Jahren wandert er aus – doch auch in Deutschland fasst er nie Fuß.
Dafür legt er eine kriminelle Karriere hin: Die zweite Haftstrafe über neun Monate verbüßt er aktuell in der JVA Billwerder wegen schweren Diebstahls, sie endet eigentlich im Juni. Das Strafregister von C. enthält neben Diebstählen auch Leistungserschleichungen, Körperverletzungen, sogar Justizbeamte hat er in der Vergangenheit angegriffen.
Angeklagter tut schnell unüberlegte Dinge
Was vor Gericht zu erahnen ist: Balint C. hat offenbar eine relativ kurze Zündschnur, bevor er (unüberlegte) Dinge tut. So auch im März 2021: „Mein Mandat wollte in eine andere Zelle in die Isolationshaft zurückverlegt werden. Er hat zuvor extra noch die Gardine und die Matratze zur Seite geschoben, damit sich das Feuer nicht ausbreitet, und selbst den Alarm ausgelöst“, nennt Rechtsanwalt Nils Schawaller die Beweggründe seines Mandaten, der keinesfalls einen Großbrand habe verursachen wollen. Das entzündete Handtuch habe er aufs Fensterbrett gelegt, der Fensterrahmen aus Holz habe angefangen zu kokeln. Der Häftling drückte nach zehn Minuten selbst Alarm, zwei Beamte löschten.
Jetzt hat er keinen Bock mehr aufs Gefängnis
Das Gespräch mit der Anstaltsleitung habe C. nie gesucht aufgrund der Sprachbarriere. Die scheint überwunden. Der Angeklagte – er trägt eine rote Trainingshose – gelobt Besserung: „Nach meiner Entlassung werde ich nicht mehr straffällig. Ich habe keinen Bock mehr auf weitere 20 Monate auf sechs Quadratmetern.“
Trotz Geständnis, Reue und eigenem Alarmruf: C.’s Aufenthalt hinter Gittern wird um ein Jahr verlängert. Denn das Gericht schließt sich im weitesten Sinn der Forderung des Staatsanwalts an, der 18 Monate Gefängnis fordert, weil das Motiv des Angeklagten „strafschärfend und plump“ gewesen sei. Der Vorsitzende Richter sagt: „Wenn es hinter Gittern schon nicht mit der Straffreiheit klappt, dann nirgendwo. Zumindest im Moment nicht.“