Bergedorf. Ulrieke Rohde aus Bergedorf lebt in Frankreich – und setzt sich für die Berber-Community ein. Sie hat mehr als 180.000 Follower.

Einmal quer durch die Weltstadt Paris laufen, mehrere Kilometer im Schlepptau des geliebten Kindes. Was tut er nicht alles fürs Töchterchen – und für das richtige Motiv. Als Resultat der langen Suche lehnen Karl-Heinz Rohde (79) und Ulrieke Rohde (41) an einem Laternenmast an der Île St.- Louis. Er, wie es sich für den stilbewussten Mann von Format gehört, mit Baskenmütze, Hosenträger und der Mundorgel, sie in ihrer Pariser Wahlheimat lässig-lächelnd mit umgeschnallter Akustikgitarre. Das Foto ist so gelungen, dass es zuletzt zur Titeloptik eines Buches über „Väter&Töchter“ wurde. Nur eine von vielen Geschichten, die es zu Ulrieke Rohde zu erzählen gibt. Denn die Bergedorferin ist in Paris ein echter Internetstar.

Ulrieke Rohde ist gebürtige Bergedorferin und nun in Frankreich ein Social-Media-Star

Ohne Zweifel: „Uli“ und „Duddi“ Rohde sind ein besonderes, sehr einnehmendes und überzeugendes Tochter-Vater-Doppel. Das liegt nicht nur an ihrer intensiven Beziehung, die sogar weit entfernte Lebensmittelpunkte in Paris und Bergedorf mühelos übersteht. Noch enger ist das familiäre Band 2016 durch einen Schicksalsschlag geworden. Damals starb ihre Mutter und seine Ehefrau an den Folgen eines Autounfalls auf dem Billwerder Billdeich. Ein schwerer Schock. Ulrieke Rohde musste für ihren Vater da sein, auch ganz praktisch, „für ihn kochen und so weiter“, erinnert sie sich.

Die 41-Jährige kann in der Elf-Millionen-Einwohner-Metropole Paris eigentlich nicht mehr unerkannt über die Straße gehen. Ulrieke Rohde ist ein absoluter Social-Media-Star, weil sich die Schullehrerin seit mehreren Jahren für Kultur und Lebensweisen einer nordafrikanischen Minderheit, der Berber, einsetzt. Die Berber leben überwiegend in Marokko, Algerien oder Tunesien, sie unterteilen sich in die Volksstämme Kabyle und Tuareg. Wohlgelitten ist diese Minderheit nirgendwo, in ihrer nordafrikanischen Heimat beispielsweise ist die Sprache berberisch aus dem Alltag weitestgehend verbannt worden.

Rohdes Engagement ist aus einer Skype-Beziehung entstanden

Entstanden ist Rohdes Engagement aus einer Skype-Beziehung, als die damalige Studentin im Jahr 2007 im litauischen Kaunas ein Austauschjahr verbrachte. Dort sprach sie übers Internet-Telefon lange mit einem Marokkaner, einem Kabylen. „Eine zufällige Bekanntschaft“, erinnert sich die Abiturientin des Gymnasiums Bornbrook. „Er war über viele Abende mein Gesprächspartner.“

Diese Gespräche wirkten nach und motivierten Uli Rohde, mit Gleichgesinnten einen Verein für die Interessen der Berber ins Leben zu rufen, den „Deutsch-Kabylischen Freundschaftsverein“ – aus der Taufe gehoben 2008 in Frankfurt. Ulrieke Rohde rückblickend: „Was mich sofort packte, war der Kampf der Berber für ihre Belange über Jahrhunderte und was sie bereit sind, dafür einzugehen. Dieses Volk verdient Unterstützung.“

Ein Spontan-Auftritt auf dem Trocadéro macht sie bekannt

Und noch so ein Satz kennzeichnet die Persönlichkeit der 41-Jährigen: „Ich liebe meine eigene Kultur und glaube, dass ich deshalb so gern auch in anderen aufgehen kann.“ Und wie sie das kann: Im Jahr 2010 beim „Streetlife Festival“ in München fällt die damals 30-Jährige mit einem rosafarbenen-kabylischen Kleid auf. Das Foto wird in den sozialen Medien gefeiert, vor allem in der Pariser Berber-Gemeinde.

Dorthin verschlägt es die studierte Lehrerin und Anthropologin recht bald: Seit 2010, als Ulrieke Rohde in Paris ein Praktikum an einer Sprachschule absolvierte, gastiert sie regelmäßig in der Stadt der Liebe, nimmt an Kundgebungen und Demonstrationen der Berber-Gemeinde teil. Rohde arbeitet zwar in den Folgejahren zunächst an mehreren Bergedorfer Schulen als Vertretungskraft, kommt aber immer wieder zu besonderen Ereignissen an die Seine zurück.

Matoub galt als regierungskritisch und als Stimme der Unterdrückung

Dieses Foto ging durch die Decke: Im Jahr 2010 flaniert Ulrieke Rohde in Berber-Tracht über das „Streetlife Festival“ in München.
Dieses Foto ging durch die Decke: Im Jahr 2010 flaniert Ulrieke Rohde in Berber-Tracht über das „Streetlife Festival“ in München. © BGDZ | Privat

Wie auch am 28. Juni 2015. Ein wichtiges Datum für die Berber: Die Community gedenkt an jenem Tag des algerisch-kabylischen Sängers Lounès Matoub, der 17 Jahre zuvor in Algerien auf offener Straße erschossen wurde. Matoub galt als regierungskritisch und als Stimme der unterdrückten Minderheit. In der Woche nach seiner Ermordung kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen jungen kabylischen Demonstranten und der algerischen Polizei.

An diesem bedeutsamen Tag hat Ulrieke Rohde in Paris ihren großen Auftritt: Unweit des Eiffelturms im „Jardins de Trocadéro“ kommen die Berber zu Hunderten zusammen, leben ihre Kultur, spielen Lieder, tragen Trachten – wie auch die mitteleuropäisch anmutende Ulrieke Rohde, die mit ihrer Gitarre mitfeiert und spontan aufgefordert wird, einen Song in der fremden Sprache vorzutragen. Auch dieses Internet-Video geht durch die Decke.

Ulrieke Rohde hat mehr als 180.000 Follower bei Facebook

„Die Idee, irgendwann nach Paris umzusiedeln, gab es immer“, berichtet die studierte Anthropologin. Im Jahr 2018 zog sie um. Rohde wurde in Paris für viele nordafrikanischen Einwanderer zum Sprachrohr. Das lässt sich ablesen an ihrem Facebook-Account „UliOfficiel“, dort folgen ihr mittlerweile deutlich mehr als 180.000 Menschen. Irgendjemand habe dort einst geschrieben: „Du bist die Mutter der kabylischen Nation!“

Ulrieke Rohde fällt auch deshalb auf, weil sie berbertypische Kleidung, die sie selbst entwirft, gern auf den Pariser Alleen zur Schau führt. Hauptberuflich arbeitet die 41-Jährige unterdessen an einem Pariser Gymnasium, unterrichtet dort Deutsch und sagt: „Ich weiß, dass mein Leben durch den Einsatz für eine Minderheit sicher nicht ungefährlich ist – aber meine Schüler sind meine größten Fans.“

Karl-Heinz Rohde betrieb das Musiklokal „Easy“ in Bergedorf

Die Popularität ist „Mademoiselle Rohde“ gewiss nicht abzusprechen: Der NDR, Arte und viele mehr haben sich alle in längeren Beiträgen für sie und ihr Engagement interessiert. „Das Rampensau-Gen, das hab’ ich definitiv von Papa“, sagt Ulrieke Rohde. Und das verwundert bei „Duddis“ Vitae auch nicht: Karl-Heinz Rohde war lange Zeit mit der bekannten Bergedorfer Band „Feels“, später dann auch mit den Bille-Boys“ unterwegs. In den Jahren 1970 bis 1975 betrieb er gemeinsam mit seiner Frau das Musiklokal „Easy“ in Bergedorf. Ein „ewiger Musiker“ also, der immer irgendwie musiziert hat. Gitarren- oder sonstiger Instrumentenunterricht? Von wegen: „Wir in der Familie sind alles Autodidakten“, erklärt der 79-Jährige, der seiner Tochter die Popularität gönnt: „Ich genieße total, wenn Uli in Paris auf der Straße angesprochen wird. Sie ist bescheiden, offen, allürenfrei und schaut nicht auf den eigenen Profit. Ich glaube, das mögen die Menschen.“

Viele Likes, aber bitte keine Influencerin

Schafften es mit diesem Foto auf das Cover von „Väter&Töchter“: Duddi und Uli Rohde.
Schafften es mit diesem Foto auf das Cover von „Väter&Töchter“: Duddi und Uli Rohde. © BGDZ | Privat

Den Begriff der „Influencerin“, den sich Ulrieke Rohde dank ihrer Social-Media-Berühmtheit sicher „verdient“ hätte, mag sie nicht so sehr – der habe einen eher negativen Beiklang. Trotzdem lässt sie ihre Community auch auf Instagram (15.000 Follower) an vielem teilhaben. Selbst wenn sie im Heimurlaub ist, macht sie Internet-Filmchen aus dem Schlosspark, dem Landgebiet oder auch mal vom Isemarkt. 400.000 „Likes“, also „Gefällt mir“-Angaben im Internet, sind schnell mal erreicht. Und auch das soll es gegeben haben: „Als Papa und ich uns mal über unser Pfandsystem ausgelassen haben, wurde das auf Youtube 2,3 Millionen Mal geklickt“, staunt Ulrieke Rohde.

Kein Wunder also, dass die beiden es fast mühelos ins Buch von Bettina Flitner über spezielle „Väter&Töchter“-Beziehungen schaffen. Unter anderem wurde dabei neben sogenannten „Normalos“ auch prominentere „Paare“ wie die Rennfahrerin Ellen Lohr mit ihrem Vater porträtiert. Ursprung des Ganzen war der Aufruf zu einer Geschichte in der Frauenzeitschrift „Emma“, die Frauen suchte, die von ihren Vätern besonders gefördert wurden. Was die Jury ziemlich beeindruckt haben dürfte, ist eben nicht nur die sehr intensive Vater-Tochter-Beziehung.

Vielleicht sollte „Ulis“ Berber-Community hier kurz jedoch weghören: „Paris ist schön, aber ich bin auch mit Herz und Seele Bergedorferin“, sagt sie. Auch noch mal eine Liebeserklärung an Papa Karl-Heinz, der in Neuallermöhe lebt. Wenn er nicht gerade mit der Tochter durch Paris flanieren muss…