Hamburg. Jennifer Jasberg und Dennis Gladiator reisen nach Berlin. Wen sie wählen und was sie über Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier sagen.

Zwei Bergedorfer stimmen mit, wenn Sonntagmittag in Berlin der Bundespräsident gewählt wird: Jennifer Jasberg (38), Grünen-Fraktionschefin in der Bürgerschaft, und Bergedorfs CDU-Chef Dennis Gladiator (40), der ebenfalls Abgeordneter des Hamburger Landesparlaments ist. Beide wurden von ihren Fraktionen für die Bundesversammlung nominiert, in der neben allen 736 Bundestagsabgeordneten noch mal die gleiche Zahl von Mitgliedern sitzt, die von den Landesparlamenten bestimmt wurden. Darunter sind gemäß der Bevölkerungszahl insgesamt 16 Hamburger.

„Es ist eine große Ehre, dabei sein zu dürfen“, sagt Dennis Gladiator, der ebenso wie Jennifer Jasberg zum ersten Mal Stimmrecht hat. „Nur leider raubt Corona diesem Staatsakt jede Festlichkeit und auch fast jede Gelegenheit, mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen“, ergänzt die Neuallermöherin. „Es gibt weder einen Empfang, noch eine Feierstunde. Und sobald die Stimmabgabe per geheimer Wahl erfolgt ist, wird das Ergebnis von der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas per Videoschalte übertragen – zu den Fraktions- und Landesgrüppchen, die wegen der Hygienevorschriften im ganzen Reichstagsgebäude verteilt sind.“

Bundespräsidentenwahl: Wähler sollen unverzüglich wieder abreisen

Tatsächlich wurden die 1472 Stimmberechtigten schon im Vorfeld schriftlich aufgefordert, gleich nach der Wahl wieder abzureisen, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Einzig der obligatorische Gottesdienst am Vormittag bleibt für alle offen.

Die Stimmen Gladiators und Jasbergs wird Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier bekommen, bestätigen beide auf Nachfrage – so haben es ihre Fraktionen bereits vor Wochen beschlossen. Die Gegenkandidaten Gerhard Trabert (Linke), Stefanie Gebauer (Freie Wähler) und der CDU-Abtrünnige Max Otte für die AfD gelten für beide als nicht wählbar und chancenlos.

Was vom Bundespräsidenten erwartet word

Aber so ganz zufrieden sind sie auch mit dem Amtsinhaber nicht: „Steinmeier ist bisher zu blass“, sagt Jennifer Jasberg. Und auch Dennis Gladiator meint, dass ihn zwar auszeichne, den Politikbetrieb in Berlin bestens zu kennen. „Aber er muss endlich die Regierungssprache ablegen und zu wichtigen Themen klar Position beziehen – von Flüchtlingen über Corona und vielleicht sogar bis zu Konflikten wie dem mit Russland.“ Bundespräsident sei ein Amt, das immer wichtiger werde. „Es geht um Vertrauen, Ehrlichkeit und gern auch mal klar formulierte kritische Positionen.“

Für Jasberg steht fest: „Deutschland hat seit Jahren einen Hang zu blassen Persönlichkeiten in höchsten politischen Ämtern. Dabei sollte gerade der Bundespräsident über den Dingen stehen und für die Bürger zu einem Bezugspunkt werden, zu einer Orientierungsgröße. Denn wir leben in einer Welt, in der jeder seine individuellen Informationsquellen finden und so leider auch Scheinwahrheiten aufsitzen kann.“ Das zeige die aktuelle Corona-Debatte überdeutlich – insbesondere in Gestalt der Querdenker.

„Eigentlich ist es Zeit für eine Frau“

Tatsächlich will Steinmeier genau das in den Mittelpunkt seine zweiten Amtszeit stellen, wie er schon im Mai bei seiner damals überraschenden Bewerbung sagte: „Ich möchte unser Land auf seinem Weg in die Zukunft begleiten, eine Zukunft nach der Pandemie.“

Gern hätten Jasberg und Gladiator es gesehen, dass ihre Parteien sich nicht schon vor Monaten auf diesen einen Kandidaten verständigt hätten. „Die Suche nach einer Alternative hätte dem Amt sehr gut getan“, sagt der Christdemokrat. Und für die Grüne steht fest: „Eigentlich ist es jetzt an der Zeit für eine Frau in Deutschlands höchstem Staatsamt.“