Hamburg. Die Sozialdezernentin kündigt ein mobiles Projekt von „fördern & wohnen“ an. Doch beim städtischen Träger weiß man von nichts.

Obdachlos zu sein ist in Bergedorf noch härter als im restlichen Hamburg. Es fehlt an allem: Der Bezirk hat keinen zentralen Anlaufpunkt, wo sich diese Menschen treffen können, wo sie medizinische Hilfe oder sonstige Beratung bekommen. Und selbst der Duschbus, der im vergangenen Frühjahr am Bergedorfer Bahnhof, Ausgang Lohbrügge, einmal pro Woche für drei Stunden Station machte, ist wieder verschwunden.

„Von der Sozialbehörde heißt es zwar, in Hamburg gebe es ausreichend Angebote. Die betroffenen Menschen aus Bergedorf sollten die Treffs und Angebote in anderen Stadtteilen aufsuchen. Aber das ist für die meisten hier schlicht zu weit weg und auf unbekanntem Terrain“, sagte Sabine Fehr von der Sozialen Beratungsstelle jetzt im Gesundheits- und Sozialausschuss der Bezirksversammlung. „Ferner ist die Fahrt mit der S-Bahn schlicht zu teuer, und die jetzt geltende Maskenpflicht schreckt zusätzlich ab.“

Runder Tisch kämpft seit neun Jahren für Wohnungslose in Bergedorf

Seit fast neun Jahren schon kämpft sie mit dem Runden Tisch Obdachlosigkeit für eine Tagesstätte in Bergedorf. 2013 gründete Pastor Andreas Baldenius von der Kirche St. Petri und Pauli das Gremium, zu dem unter anderem auch die Tafel, das Bethesda Krankenhaus, die Polizei, das Männerwohnheim, die „Bergedorfer Engel“ und das Bezirksamt gehören. „Die Tagesstätte scheiterte immer wieder an Details“, so Baldenius. „Entweder fehlte das Geld oder ein Träger, dann eine Immobilie oder auch ein passendes Konzept.“

Knapp 100 Obdachlose soll es in Bergedorf geben. Sie sind aber weniger sichtbar als die in der Hamburger City: Statt in Kaufhaus-Eingängen übernachten sie in Kleingarten-Lauben oder Bauruinen. „Trotzdem ist das Problem akut, denn für diese Menschen gibt es gar keinen Raum in Bergedorf“, betonte Andreas Baldenius im Gesundheits- und Sozialausschuss und mahnte zur Eile: „Hamburg beginnt demnächst damit, den Doppelhaushalt 2023/24 vorzubereiten. Wenn wir da Bergedorfs Obdachlosen-Tagesstätte unterbringen wollen, müssen Politik und Bezirksamt jetzt tätig werden – mit Anträgen und dem Einwirken auf die Sozialbehörde.“

Wohnungslos in Bergedorf: Linke und SPD erhören Hilferuf

Ein Hilferuf, der zumindest bei den Linken und der SPD ankam, die beide versprachen, auch ihre Bürgerschaftsabgeordneten einzuschalten. Bergedorfs Sozialdezernentin Sabine Steffen äußerte sich dagegen auffällig defensiv: Tatsächlich gebe es noch nichts Neues zu einer möglichen Örtlichkeit für die Tagesstätte, aber immerhin bereite der städtische Träger „fördern & wohnen“ etwas vor. Steffen: „Das ist zwar nichts Stationäres, aber es wird eine neue mobile Unterstützung der Obdachlosen geben.“

Eine Ankündigung, die bei „fördern & wohnen“ Verwunderung auslöst: „Von einem solchen Projekt wissen wir nichts“, sagte Sprecherin Susanne Schwendtke auf Anfrage. Und spontan etwas anzuschieben sei gegenwärtig kaum möglich: „Unser gesamtes Personal ist wegen der verschärften Corona-Schutzmaßnahmen fest eingebunden.“

Pastor Baldenius mag ohnehin nicht mehr auf Übergangsprojekte setzen: „Soll die Tagesstätte in den Hamburger Doppelhaushalt, muss jetzt zwingend ein Konzept samt Finanzierungsrahmen ausgearbeitet werden. Gern auch schon mit einem Ausschreibungstext für die Trägersuche.“ Der Runde Tisch wünsche sich, dass neben der Politik vor allem das Bezirksamt dafür Verantwortung übernehme. „Sonst findet das alles ein schlechtes Ende. Und wir wünschen uns für 2023 doch das genaue Gegenteil: einen guten Anfang.“