Bergedorf. Vier Direktkandidaten für den Wahlkreis Bergedorf-Wilhelmsburg-Harburg haben im Gewerkschaftszentrum Fragen beantwortet.
Ein Quartett aus vier Direktkandidaten für den Wahlkreis Bergedorf-Wilhelmsburg-Harburg
hat sich im Bergedorfer Gewerkschaftszentrum Fragen zur Schere zwischen Arm und Reich, Dumpinglöhnen, Kinderarmut und armutssicheren Renten gestellt. Zudem zu ihren Vorstellungen, was sie als Abgeordnete im Bundestag für den Wahlkreis erreichen wollen. In manchen Punkten lagen sie dichter beieinander, als die rund 40 Zuhörer erwartet hatten.
Sarrazin spricht sich für Kindergrundsicherung aus
So etwa zum Thema Kinderarmut. Während der grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin (seit 2008 im Bundestag) sich für eine Kindergrundsicherung und einen armutsfesten Grundlohn aussprach, forderten Stephan Jersch (Die Linke) und Metin Hakverdi (SPD-MdB) eine höhere Verbindlichkeit von Tarifverträgen. Eine arbeitnehmernähere Politik werde künftig ohne die CDU leichter durchsetzbar, so der SPD-Bundestagsabgeordnete.
Doch auch CDU-Direktkandidat Uwe Schneider aus Harburg befand, das Problem müsse im Zusammenhang bewältigt werden: „Kinder werden nicht arm geboren. Unabhängig von der politischen Konstellation müssen alle in Berlin dafür Sorge tragen, dass viele Menschen in Arbeit sind und dass sie von ihren Einkommen leben können.“
Dicht beieinander zeigten sich die Politiker auch zum Thema Nahverkehr. Ohne den Ausbau von Bus und Bahn könne die Klimawende nicht gelingen, so die einhellige Meinung. „Ich sehe es als meine Hauptaufgabe, die Infrastruktur in dem Bereich zu stärken“, sagt Hakverdi, der Sozialdemokrat aus Wilhelmsburg vertritt den Wahlkreis bereits zwei Legislaturperioden im Bundestag. Auch die Sanierung der Sternwarte wolle er vorantreiben.
Für Jersch stehen der Ausbau von U- und S-Bahnen im Fokus
Für den Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordneten Jersch stehen die Energiewende und der Ausbau von U- und S-Bahnen Richtung Harburg und Bergedorf mit oben auf der Agenda. Außerdem die Entwicklung der beiden Innenstädte.
An der Forderung der Linken nach einem bundesweiten Mietendeckel entzündete sich eine Diskussion. Schneider setzt den Fokus zu diesem Thema auf vermehrten Wohnungsbau. Die Wirtschaft müsse gestärkt werden, mindestens 1,5 Millionen Wohnungen wollten die Christdemokraten in der nächsten Legislaturperiode bauen. Ein Mietendeckel nach Berliner Vorbild sieht der Christdemokrat als Bremse für Investitionen. „Unternehmen müssen immer noch das Gefühl haben, dass sich ein Neubau rechnet.“
Hakverdi sieht steigende Mieten weiterhin als ein Problem
Weiter steigende Mieten, auch im Hamburger Umland, sieht Hakverdi als ein politisches Problem. Hätte er die Wahl, würde er vor allem auf mehr öffentliche Wohnungsbaugesellschaften setzen. „Saga/GWG ist doch städtisch und erhöht in Hamburg alle zwei Jahre die Mieten“, meldete Jersch Zweifel an.
Wie Hakverdi plädierte auch Sarrazin, vielen Menschen in der Stadt das Wohnen zu ermöglichen – auch auf kleinem Raum. Sarrazin: „Ich werde mich hier aber nicht für das Verbot von Einfamilienhäusern stark machen, dafür haben wir reichlich Prügel bezogen“, so der Grüne. Er sei dagegen, Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie wohnen dürften. Wenn etwa Senioren in ihrer größeren Wohnung in ihrer Umgebung leben bleiben wollten, sei dies zu akzeptieren.
Die Meinungen zur Rentenpolitik gehen weit auseinander
Moderator André Herbst, Lokalchef der Bergedorfer Zeitung, befeuert die Diskussion mit der Frage, warum Altersarmut und sinkendes Rentenniveau nicht endlich mit einem Systemwechsel begegnet wird: Viele Nachbarländer wie Österreich, die Schweiz, die Niederlande und Dänemark machten es vor, wie durch eine Versicherungspflicht für alle, auch Selbstständige und Beamte, wie auch durch staatliche garantierte Rentenfonds ein erheblich höheres Alterseinkommen erreicht werden könne.
Die Meinungen zur Rentenpolitik gehen weit auseinander. So bekannte Sarrazin, fähige Köpfe müssten sich Gedanken über neue Modelle machen, „der Finanzbedarf aus der Staatskasse wächst immer weiter“. Jersch forderte deine garantierte Mindestrente (1200 Euro) und eine „solidarische Rentenversicherung, in die alle einzahlen, auch Politiker“. Zudem müssten alle Einkommensarten herangezogen werden, auch Kapitalvermögen und Mieteinnahmen.
Dissens besteht zu den sozialversicherungsfreien 450-Euro-Jobs
Einen raschen Systemwechsel könne es nicht geben, sozialer Besitzstand müsse gewahrt werden, erklärte Hakverdi, und mahnte: Auch in Zukunft werde das deutsche Rentensystem nicht ohne Zuschüsse aus der Staatskasse auskommen. Schneider verteidigte das deutsche Rentensystem als gar nicht „so verkehrt“. Natürlich gebe es Kritikpunkte wie das Rentenniveau und Rentenalter. Er habe mit Beginn seiner Berufstätigkeit auch nicht damit gerechnet, dass er bis 67 Jahre arbeiten solle bei zugleich deutlich gesunkenem Rentenniveau. „Aber einfach zu sagen, wenn alle einzahlen wird alles gut – so einfach ist es dann auch nicht.“
Dissens besteht zu den sozialversicherungsfreien 450-Euro-Jobs. Sie seien ein Grund für die wachsende Altersarmut gerade auch von Frauen, gehörten abgeschafft, so Jersch. Dafür wollen auch die Grünen eintreten. Die SPD wolle den Anteil versicherungspflichtiger Jobs erhöhen unterstrich Hakverdi, leider regele der Markt nicht alles. Angesichts des Fachkräftemangels müssten die Löhne steigen, doch das funktioniere leider nicht.
Einzig Schneider trat für den Erhalt der Mini-Jobs ein und die Erhöhung der Freigrenze auf 550 Euro: „Sie sind für viele eine Möglichkeit, etwas hinzuzuverdienen, für andere die Chance auf sozialversicherungspflichtige Arbeit.“ Das wolle die CDU niemandem verbauen.