Bergedorf. Die Neuallermöherin soll ihre guten Drähte in Hamburgs Verwaltungsspitzen für Bergedorf nutzen. Das sind die dringendsten Anliegen.

Sie soll nicht bloß Bezirksamtsleiterin sein, sondern Bürgermeisterin von Bergedorf – oder wie es der Chef der Alevitischen Gemeinde Bergedorf, Alper Dogan, formuliert: „Eine Amtsinhaberin, die bürgernah ist, gestaltet und nicht verwaltet.“

An Cornelia Schmidt-Hoffmann (57), Donnerstag um 19.02 Uhr in der Bezirksversammlung zur neuen Rathauschefin gewählt, haben die Bergedorfer hohe Erwartungen. Vor allem soll die Neuallermöherin, die am 1. Oktober startet, ihre guten Drähte in Hamburgs Verwaltungsspitzen nutzen, um Bergedorf als Stadt in der Metropole zu stärken – und nicht nur als verlängerter Arm des Senates im Bezirk fungieren.

Zwei Wünsche stechen heraus: Stärkung des Sachsentors sowie die Beseitigung des Bergedorfer Baustellenchaos. CCB-Manager Lutz Müller sorgt sich um die Zukunft der Bergedorfer City: Im Einzelhandel gebe es längst „einen Schwelbrand, auch wenn noch kein Rauch und Feuer zu erkennen“ seien. „Frau Schmidt-Hoffmann sollte die kritische Zukunftsperspektive der Geschäfte in der City erkennen.

Herausforderung Sachsentor und Innenstadtentwicklung

Insbesondere die Etablierung eines Stadtmanagements ist jetzt wichtig.“ So sieht es auch Martina Willhoeft vom Herrenausstatter Willhoeft im Sachsentor. Sie setzt auf schnelle Zwischenlösungen für die Karstadt-Häuser, nicht nur Ohren für Radfahrer und ein Engagement für Parkplätze. Erfreut ist sie, dass Schmidt-Hoffmann seit 20 Jahren in Neuallermöhe wohnt: „Sie weiß also, wie die Menschen hier ticken“.

Mehr Parkplätze hat auch Christian Hamburg als Bergedorfs Bezirkshandwerksmeister im Blick: Er wünscht sich die Sicherung einer „handwerklichen Infrastruktur“, die ermöglicht, dass die Betriebe auch den Kunden erreichen können – Stichwort Baustellenchaos.

Bürger sind über die zahlreichen Baustellen genervt

Das nervt auch Jens Wechsel, 1. Vorsitzender des VfL Lohbrügge: „Bergedorf ist eine einzige Baustelle. Nach der Arbeit nach Hause zu kommen, ist nur noch schlimm.“ Für die Sportler sei wichtig, dass viele Sportstätten im Bezirk „generalüberholt werden, nicht nur der Binnenfeldredder“, so Wechsel.

Mehr Fingerspitzengefühl für touristische Fragen wünscht sich Oliver Kahle. Der Vorsitzende der AG Tourismus im Wirtschaftsverband WSB setzt auf Förderung von Hotelansiedlungen, Attraktionen wie Schloss oder Sternwarte und Radverkehrskonzepten. „Ich hoffe, dass wir mit Frau Schmidt-Hoffmann öfter ins Gespräch kommen.“

Kulturschaffende und Migranten wollen stärker wahrgenommen werden

Dass so auch Bergedorfs Kultur „stärker ernst und wahrgenommen“ wird, hofft Lola-Geschäftsführerin Petra Niemeyer: „Kultur ist wichtig für Wohn- und Lebensqualität. Dem Riesenangebot in Hamburg müssen wir etwas entgegensetzen.“ Alevitenchef Dogan hat dies im Auge: „Ich wünsche mir mehr Mitspracherecht von Migranten in Politik und Verwaltung.“

Maria Theis, Geschäftsführerin des Bethesda Krankenhauses, ist wichtig, dass „unsere Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt so konstruktiv bleibt wie bisher.“ Kurzfristig gehe es dabei um weitere Corona-Impfangebote.

CDU: Ein Start mit „schwerer Hypothek“

Einige Bezirksamtsleiter hat Peter Gabriel – SPD-Urgestein in der Bezirksversammlung und aktuell ihr Präsident – im Laufe seiner politischen Arbeit bereits kommen und gehen sehen. Als der 82-Jährige nun Donnerstagabend die Wahl Cornelia Schmidt-Hoffmanns (SPD) zur neuen Bergedorfer Bezirksamtsleiterin verkündete, schwankte Gabriel ein wenig die Stimme. Ihm war wohl in einem Moment der Rührung bewusst: Wieder beginnt eine neue politische Ära in der Zukunft Bergedorfs.

Gleich im ersten Wahlgang hatte die Kandidatin der Koalition aus SPD, Grünen und FDP die notwendige Mindestanzahl an Stimmen erreicht: 23 brauchte Cornelia Schmidt-Hoffmann (das ist die einfache Mehrheit bei 45 stimmberechtigten Abgeordneten), 24 erhielt sie. Die Wahl war geheim, doch es darf spekuliert werden: Offenbar stimmte die Rot-grün-gelbe Koalition geschlossen für sie, denn 24 der 25 Abgeordneten waren anwesend.

Konnte Cornelia Schmidt-Hoffmann alle Stimmen der Koalition auf sich vereinen?

Wer mit „Nein“ stimmte (14-mal), wer sich enthielt (viermal), bleibt offen: Die Linke (fünf Sitze) hatte das Votum für ihre Fraktion freigegeben, CDU (11 Sitze, neun Anwesende) und AfD (vier Sitze) hatten sich im Vorfeld ablehnend gezeigt.

Hauptkritikpunkt war dabei nicht die Kandidatin selbst, sondern die Tatsache, dass die Koalition die Juristin selbst ausgewählt hatte, anstatt die Stelle auszuschreiben. „Eine Farce“ nannte CDU-Fraktionschef Sven Noetzel das Prozedere. „So fördert man keine Demokratie.“

Kritik an Wahl ohne vorherige Ausschreibung des Spitzenpostens

Da es keine Ausschreibung gegeben habe, könne niemand wissen, ob Cornelia Schmidt-Hoffmann wirklich die beste Wahl sei. Die Chance, dies in einem Bewerbungsverfahren zu beweisen, habe ihr die Koalition genommen: „Und so wird die Bezirksamtsleiterin mit einer schweren Hypothek starten.“

Auch Michael Mirbach von der Linken kritisierte das Verfahren, das zwar rechtens sei, aber „wenig demokratisch“. Gleichwohl gehe es um Inhalte. Die Kandidatin habe sich in vielen Gesprächen offen gezeigt, zudem sei ihr Schwerpunkt Kinder und Jugend sehr zu begrüßen. Es fehle aber bei anderen Themen an „kritischer Distanz zu Entscheidungen des Senats“.

SPD-Fraktionsvorsitzende verteidigt das Vorgehen der Koalition

Katja Kramer, SPD-Fraktionsvorsitzende, betonte erneut, die Entscheidung gegen eine Ausschreibung sei rein aus Zeitgründen gefallen: „Monatelanger Stillstand“ wäre angesichts drängender Themen in Bergedorf „nicht vertretbar“ gewesen. Zudem sei mit Cornelia Schmidt-Hoffmann eine „kompetente, empathische und kommunikationsstarke Nachfolgerin“ für Arne Dornquast gefunden worden.

Die neue Bezirksamtsleiterin selbst betonte nach der Wahl, es gebe Gemeinsamkeiten: den Wunsch, „dass der Bezirk gut regiert und zukunftsfest gemacht“ werde.