Hamburg. Trotz – oder gerade wegen – radikaler Slogans bekamen die selbst ernannten “Freiheitsfahrer“ in Bergedorf viel Unterstützung.

Die Polizei war deutlich in der Überzahl. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, die Motorradpolizisten der Hamburger Verkehrsstaffel sowie Beamte der Revierwachen Bergedorf und Billstedt sicherten am Sonnabend um die Mittagszeit den Frascatiplatz, wo die Hamburger Sektion der bundesweiten Initiative „Freiheitsfahrer“ den Start eines Autokorsos durch Bergedorf, Lohbrügge, Neuallermöhe, Boberg, Mümmelmannsberg bis nach Billstedt angemeldet hatte.

„Wasch Dir die Hände, Dein Hirn waschen wir. ARD und ZDF“

Sammeln, formieren und vorbereiten auf dem Frascatiplatz: Mit rund 40 Fahrzeugen, die meisten davon mit Transparenten beklebt, starten die „Freiheitsfahrer“ zur 30 Kilometer langen Autokorso-Fahrt.
Sammeln, formieren und vorbereiten auf dem Frascatiplatz: Mit rund 40 Fahrzeugen, die meisten davon mit Transparenten beklebt, starten die „Freiheitsfahrer“ zur 30 Kilometer langen Autokorso-Fahrt. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

150 Fahrzeuge waren angekündigt, am Ende kamen 34 teils einzeln, teils zu zweit besetzte Autos mit Kennzeichen aus Hamburg, Segeberg, Ratzeburg und Pinneberg, außerdem zwei Motorradfahrer und eine Handvoll Radfahrer. „Das Virus tötet Menschenleben, der Lockdown aber ebenso“, hallte es bei der kurzen Startkundgebung aus dem Lautsprecherwagen der Lockdown-Gegner, und: „Hört auf, unsere Kinder zu foltern. Kinder brauchen Luft zum Atmen“.

Die Korso-Teilnehmer, von denen keiner der Befragten sich namentlich zu erkennen geben oder anderweitig äußern wollte, ergänzten die Inhalte mit Transparenten wie „Wir sind keine Nazis – wir sind Mütter“ oder „Wasch Dir die Hände, Dein Hirn waschen wir. ARD und ZDF“.

Omas gegen rechts protestieren gegen "Querdenker"

Die Bergedorfer „Omas gegen rechts“ beziehen Position gegen die Demonstranten.
Die Bergedorfer „Omas gegen rechts“ beziehen Position gegen die Demonstranten. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Der befürchtete Schlagabtausch mit politischen Gegnern blieb aus – auf dem Frascatiplatz ebenso wie bei der rund 30 Kilometer langen Tour. Gleich beim Start am Neuen Weg hatte sich die Bergedorfer Gruppe „Omas gegen rechts“ postiert, spielte mit Schildern „Nein zu Querstänkern“ an auf die Bewegung der selbst ernannten „Querdenker“ gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern.

Ansonsten hielt sich die Gegenseite mit Aktionen zurück. „Wir wollen doch diesen Demonstranten nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen“, meinte Helmuth Sturmhoebel von den Bergedorfer Linken, der unter den rund 50 Beobachtern auf dem Frascatiplatz weilte. Norbert Fleige (Bergedorfer Grüne) dagegen vertrat die Auffassung: „Wir sollten schon verdeutlichen, dass diese Demonstranten nicht für die Mehrheit der Menschen in Deutschland sprechen.“

Lohbrügger und Neuallermöher klatschen und jubeln

Wie hier in Neuallermöhe gibt es allerhand Beifall für die Akteure.
Wie hier in Neuallermöhe gibt es allerhand Beifall für die Akteure. © Thomas Voigt | Thomas Voigt

Geschehen ist das am Sonnabend allenfalls ansatzweise. Stattdessen waren am Straßenrand der Karawane – von den Motorradfahrern der Verkehrsstaffel über Kreuzungen und Kreisel gelotst – die Befürworter deutlich in der Überzahl.

Besonders in Lohbrügge und Neuallermöhe jubelten die meisten Zuschauer dem Demonstrationszug zu, applaudierten oder zollten mit zustimmendem Lächeln ihre Anerkennung. Auch eine Zählung der Handzeichen ging deutlich auf das Konto der Lockdown-Gegner: Vier wütend ausgestreckten Mittelfingern standen 28 gehobene Daumen gegenüber.

Ein kleines Malheur hatte es gleich auf den ersten Kilometern in der Bergedorfer Innenstadt gegeben. Am City-Kreisel schlugen die nicht vollends ortskundigen Demonstranten und Polizisten nicht den geplanten Weg nach Lohbrügge ein, sondern fuhren durch die Ernst-Mantius-Straße ins Bergedorfer Villengebiet. Erst am Gräpelweg erkannte die Spitze des Zuges den Irrtum und legte dort für alle eine Kehrtwende ein.