Lohbrügge. Modellbau Vogel aus Lohbrügge fertigt Formen aus Metall, Holz und Kunststoff – für Schiffe, Autos oder die Kosmetikindustrie.
Wie arbeitet das Holz, wie wirkt es elegant statt klobig? Solche Fragen stellt sich Birte Lena Meier gern. „Zudem sollte man Mathe können und ein räumliches Vorstellungsvermögen haben, sagt die leidenschaftliche Tüftlerin. Dass sie nicht nur formschöne Möbel baut, sondern auch Modelle aus Metall und Kunststoff produziert, ist ihre Erbschaft: Mit nur 25 Jahren übernimmt sie jetzt an der Osterrade einen Betrieb mit drei Mitarbeitern.
Die ziehen den Hut vor dem Ehrgeiz der neuen Inhaberin: Nach dem Abitur studierte sie ein Jahr Physik („War mir zu theoretisch“), bevor sie die Tischlerlehre mit dualem BWL-Studium anschloss. Es folgten eine zweijährige Fortbildung zur Holztechnikerin und schließlich der Meisterbrief. Jetzt also kann die Firma Helmut Vogel Modellbau in die Zukunft blicken.
Betrieb wurde 1947 gegründet
Diesen Helmut Vogel darf man sich getrost zupackend vorstellen, als er 1947 seinen Betrieb an der Bleichertwiete gründete. Maschinengestelle, Zahnräder, Kurbeln und Bohrköpfe waren damals gefragt – besonders bei den Bergedorfer Eisenwerken. 1970 zog er für zwei Jahre an den Lohbrügger Weg, dann ging es an die Osterrade.
Zu der Zeit hatte Peter Müller gerade seine Lehre beendet. „Irgendeiner muss die Meisterprüfung machen. Der kann den Laden dann haben“, hörte er den Chef sagen. Und so kam es, dass sich Müller 1977 selbstständig machen konnte – mit nur 25 Jahren. So wie heute seine Stieftochter Birte Lena.
„Damals gab es noch eine Innung mit 14 Betrieben. Heute sind wir die einzige richtige Gießerei dieser Art in Hamburg“, so der Modellbaumeister. Zuletzt mit der Pandemie sei die Nachfrage nach Schiffsschrauben, Bullaugen oder Maschinenbaumodellen für die Autoindustrie eher mau. Gut, dass sich die Firma auch ein Standbein in der Kosmetikbranche schaffen konnte: „Tiefziehteile“ werden in Drogerien und Parfümerien gebraucht.
Es wird auf Zehntelmillimeter genau gearbeitet
Wer einen Lidschatten in dem Regal sucht, wo sie nach Farben geordnet sind, greift in ein Plastikfach mit Testerschublade. „Inlay“ heißt in der Fachsprache. „Die Form konstruieren wir am PC. Dann erhitzen wir eine Folie und ziehen sie mit Volumen über das Modell. Da wird auf den Zehntelmillimeter gearbeitet, da darf nichts klappern und wackeln“, sagt Müller. Einmal wurde er bei Douglas amüsiert angeguckt, „weil ich eine bestimmte Mascara von Lancôme haben wollte“, erzählt der schnauzbärtige 68-Jährige. Auch mit Puder, Cremes und anderen Utensilien kennt er sich aus: „Maybelline wollte ein Update und seine Eyeliner neu präsentieren. Da haben wir neue Warenträger für 440 dm-Läden produziert.“
Doch auch bei Kosmetika schlägt Corona zu: Wer muss sich schon hübsch machen mit einer Maske vorm Gesicht? „Bei der Zwischenfirma, von der wir unsere Aufträge bekommen, hat L’Oréal einen Auftrag über 1,5 Millionen Euro zurückgezogen, also das Update verschoben, weil mit dem Lockdown der Einzelhandel nicht mehr so lief. Klar, wer online bestellt, braucht ja keine Ausstellungsware“, erklärt der Noch-Chef, der sich auch mit Lippenstiften auskennt: „Einer mit integrierter Lippenpflege wurde oft geklaut, weil er 24,75 Euro kostete. Da haben wir 3600 Dummies aus Kunststoff gemacht.“
Spielgeräte für Kindergärten und Möbel aus Vollholz
Nachfolgerin Birte Lena Meier will jetzt zuerst „den Markt austesten“, denn sie steht nicht auf Serienproduktion, sondern liebt individuelle Holzstücke: „Ich würde gern mehr Privatmöbel aus Vollholz machen oder Höhlen und Spielebenen für Kindergärten. Da kann ich mit den Pädagogen gemeinsam kreativ werden, auch Sisal, Steine, Kork und Baumstämme einbauen“, sagt die 25-Jährige – und lässt sich vom Stiefvater sagen, dass solche Bauten vom Unfallversicherer abgenommen werden müssen: „Das Holz muss feuerhemmend geschützt, die Öle und Lacke speichelecht sein.“
Es sei vielleicht ein schwieriges Feld, „aber ich werde unsere Nische finden“, sagt Meier. Flyer will sie in Kitas verteilen und auf Kunsthandwerkermärkten werben. Nicht zuletzt ist sie Mitglied der „Bergedorfer Betriebsjunioren“. Mund-zu-Mund-Propaganda sei wichtig: „Wir wollen das Handwerk zu neuem Glanz führen. Und Arbeit schafft Arbeit, zieht also auch Aufträge“, ist die neue Inhaberin der Tischlerei Vogel Modellbau überzeugt.