Hamburg. Anwohner der Nettelnburger Straße sammeln Unterschriften für Erhalt der Querung. Schon einmal wurde dort ein Kind totgefahren.
Bereits seit dem 14. September freuen sich die Nettelnburger über eine Baustelle. Nein, nicht weil Hamburg Wasser an der Trinkwasser-Hauptleitung arbeitet, die vom Curslacker Wasserwerk bis zur Pumpe in Rothenburgsort führt. Es ist vielmehr die Tatsache, dass für die Bauarbeiten in der Nettelnburger Straße auf Anordnung der Polizei ein provisorischer Zebrastreifen eingerichtet wurde – und zwar genau vor dem Kinderspielplatz an der Einmündung zum Hans-Förster-Bogen. Damit der Überweg dort dauerhaft bleibt, haben die Anwohner nun gut 200 Unterschriften gesammelt und wollen sie im Rathaus abgeben.
„Auch alle, die zur Kita, zur Kirche oder zum Seniorentreff gehen, wollen hier an dieser Stelle die Straße queren und nicht den Umweg bis zum Oberen Landweg laufen, wo dann der nächste Zebrastreifen ist“, sagt Annette Looft. Mit Laufrad und Kinderkarre ist auch ihre Tochter Karen oft unterwegs – samt den Kindern Piet (1), Kalle (3) und Fiona (9). „Durch die Neubaugebiete ringsum hat der Verkehr erheblich zugenommen, und viele rasen einfach hier durch. Wer vorschriftsmäßig durch die Tempo-30-Zone fährt, wird sogar noch überholt“, ärgert sich Karen Looft.
Tragischer Unfall im Mai 1971 – Junge totgefahren
Wie schätzt Bergedorfs Verkehrspolizei die Chancen ein, den Zebrastreifen zu erhalten? „Naja, der nächste ist bloß 100 Meter entfernt, da könnte man den Leuten schon zumuten, den auch zu nutzen“, zögert Jörg Wilhelm von der Verkehrsabteilung im Bergedorfer Polizeikommissariat 43. Vier weitere Zebrastreifen gibt es bereits auf der Nettelnburger Straße. „Sollten Änderungen erwünscht sein, werden wir die Eingabe genau prüfen und die Situation vor Ort neu bewerten“, sagt Jörg Wilhelm.
Von der Sorge seiner Nachbarn hat auch Rolf Selko erfahren, der nur wenige Meter weiter am Püttenhorst wohnt – und traurig an eine 30 Meter lange Bremsspur erinnert: „Im Mai 1971 ist hier unser Stephan totgefahren worden. Nur einen Monat später hätte er seinen dritten Geburtstag gefeiert“, sagt der Senior mit feuchten Augen. Ein 19-Jähriger sei damals mit Tempo 70 durch den Püttenhorst gerast. „Der hat noch am Unfallort seinen Führerschein wiederbekommen, aber das stand in keinem Protokoll.“
Auf eine Anzeige hat Selko damals verzichtet – „aus Angst, meine Frau würde wegen Aufsichtspflichtverletzung drangekriegt“. Einen Prozess hätten sie emotional wohl nicht durchgestanden, sagt Rolf Selko, der mit zittrigen Händen eine alte Ausgabe der Zeitschrift „Der Spiegel“ aus dem Rucksack zieht: „Kein Erbarmen mit den Kindern“ steht über 60 jungen Gesichtern. Auch das von Stephan ist dabei.
Zebrastreifen wird wegen Bauverzugs bis Februar/März bleiben
„Er lag wie eine Puppe im Krankenhaus. Und plötzlich gab es diesen langen Ton von dem Apparat, der die Herzfrequenz misst“, weiß Rolf Selko wie heute: „Das sollen andere Eltern nicht erleben müssen.“ Und genau deshalb wolle er persönlich noch eine weitere Eingabe an das Bezirksamt machen und um den zusätzlichen Zebrastreifen bitten.
Entscheidungen über Eingaben im Hauptausschuss brauchen gewöhnlich immer ein bisschen Zeit. Da trifft es sich, dass der gelbe Zebrastreifen länger bleibt als geplant: Statt wie ursprünglich vorgesehen bis zum 18. Dezember werden die Arbeiten der Wasserwerke vermutlich bis Ende Februar oder Anfang März andauern, sagt Ole Braukmann von den Wasserwerken. Die gut 80 Jahre alte, gusseiserne Leitung sei zwar „noch top in Schuss“, doch die Baugrube musste erweitert werden, um die verschiedenen Wandstärken messen zu können: „Damals waren die Leitungen noch nicht genormt, da kommen wir jetzt mit einem Fertigteil nicht aus, um die Klappen tauschen zu können.“
Bergedorfs Hauptausschuss tagt erst wieder im neuen Jahr. Am 14. Januar könnte der Zebrastreifen Ausschussthema werden, die Forderung an den Verkehrsausschuss weitergeleitet werden.