Bergedorf. Cartoonist Tobias Vogel hat gut 200.000 Follower – und gewann den Max-und-Moritz-Publikumspreis. Auftritt am Donnerstag in der Lola.

Punkt, Punkt, Komma, Strich – aber nein: Das Männlein hat ja gar kein Gesicht! Oder ist es ein Weiblein? „Das kann man sich aussuchen, meine Figur ist eine leere Projektionsfläche, die durch den Betrachter vervollständigt wird“, meint Tobias Vogel. Ja, ein lustiger Vogel, denn der 38-Jährige zeichnet Cartoons. „Die müssen bei mir nicht immer witzig sein, ich schreibe nicht alles auf eine Pointe hin. Manche sind auch poetisch, doppeldeutig oder melancholisch“, erklärt der Mann, der seit sieben Jahren in Bergedorf wohnt, ursprünglich aus Krefeld stammt.

Aber der Job (im „ersten Leben“ ist er bei einer Krankenkasse angestellt) zog ihn nach Hamburg. Wobei er inzwischen ganz gut vom Zeichnen leben könnte: Gerade erst brachte ein Originalbild 760 Euro bei einer Ebay-Auktion ein: „Das ist gigantisch. Und ich bin froh, wenn ich nicht die Preise festlegen muss.“

Tobias Vogel fing mit Gedichten und Kurzgeschichten an

Eine Zeichnung von Tobias Vogel.
Eine Zeichnung von Tobias Vogel. © Tobias Vogel | Tobias Vogel

Kreativ sei er schon immer gewesen, mit Gedichten und Kurzgeschichten. Dann kam das „Gekritzel“ hinzu, das er über Twitter postete: Monatlich begeistern sich tausend neue Follower über die Wortwitze, über die „Ein-Bild-Zeichnungen“ – so nennt sich nämlich der Unterschied zu Comics, die ganze Sequenzen zeigen und längere Geschichten erzählen. „Innovativ, halt nicht so konservativ“ sei seine Kunst – so jedenfalls erklärt sich Tobias Vogel seinen riesigen Erfolg, den er an Likes bemisst: „Das ist nun mal die heutige Währung.“ Auf Twitter folgen seinem Pseudonym „@kriegundfreitag“ derzeit 70.000 Menschen, auf Facebook seien es 40.000 und auf Instagram fast schon 90.000.

Und so gilt Tobias Vogel als Shootingstar der Cartoonszene: 2019 wurde er mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet, in diesem Jahr gewann er einen Publikumspreis: „Dieser Max-und-Moritz-Preis ist einer der bedeutendsten Comicpreise in Deutschland“, sagt Vogel nicht ohne Stolz. Er macht was draus: Sein Buch „Schweres Geknitter“ hat mit 15.000 Exemplaren schon die vierte Auflage beim Lappan Verlag erreicht.

Neue Buch im September – Aufgaben für Leser

Gerade erst im September kam das zweite Buch „#ichgebeauf“ heraus – mit Aufgaben für die Leser, die ein Tattoo entwerfen sollen oder ein Pferd malen. Dazu hat der Mann das Merchandising entdeckt, vertreibt T-Shirts und Tassen mit seinen Zeichnungen. Die Ideen dafür entstehen oft beim Spaziergang am Wasser: „Da kann ich in Ruhe meinen Gedanken nachhängen, anschließend arbeite ich in meinem Atelier neben der Oberhafenkantine.“

Lesung am Donnerstag in der Lola in Bergedorf

Eine Strichfigur von Tobias Vogel.
Eine Strichfigur von Tobias Vogel. © Tobias Vogel | Tobias Vogel

Und tatsächlich lässt sich mit den Strichfiguren auch eine Lesung gestalten. So etwa am morgigen Donnerstag in der Lola. Zwar sind die 45 Plätze im Saal an der Lohbrügger Landstraße schon ausverkauft, aber für 5 Euro kann sich jedermann über www.lola-hh.de um 20 Uhr in den Livestream dazu schalten. „Das kulturelle Leben muss doch weitergehen“, sagt Tobias Vogel mit großer Eindringlichkeit. Er wolle mit einem befreundeten Zauberer auf der Bühne unterhalten und auf Zuruf ein Bild malen. „Es ist ein Drahtseilakt zu Corona-Zeiten. Aber es macht auch Mut, wenn die Leute wirklich streamen und dafür die Künstler bezahlen.“

Von wegen Geld verdienen: Ein Adventskalender mit auftrennbaren Doppelseiten ist seit Oktober auf dem Markt, der Titel: „24 Gründe, warum du noch Zeit hast, Geschenke zu kaufen“ – quasi 24 gute Ausreden. Und die Kreativität lässt nicht nach: „Jetzt übe ich gerade mit japanischen Brush-Pens für Kalligrafie. Auch mehr Farbe soll es sein. Vielleicht bin ich nicht super-talentiert, aber Zeichnen ist zu 90 Prozent Übungssache“, meint Tobias Vogel, dessen Sohn Otis vor 20 Monaten zur Welt kam. Zwischen Brei und Schlaflosigkeit arbeitet er am neuen Buch „Babysachen“ – schließlich führt er für den Sohnemann längst schon alberne Tänze auf, die sich genial zeichnen lassen.