Bergedorf. Forscher zweifeln Methode an, nach der das RKI den Pandemie-Verlauf in Deutschland ermittelt. Sie haben eine andere Rechenmethode.
Wissenschaftler der Bergedorfer Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) zweifeln die Methode an, nach der das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) den Verlauf der Corona-Pandemie in Deutschland ermittelt und Grundlagen für politische Entscheidungen liefert. In einem aktuell erschienenen Fachbuch behaupten die Professoren Peter Möller (Physik und Mathematik), Ralf Reintjes (Epidemiologie) und Marco Becker (Finanzwirtschaft): „Wir haben mit einer anderen Rechenmethode die Genauigkeit der R-Wert-Berechnung durch das RKI erhöht.“
Die Reproduktionszahl (R-Wert) gibt an, wie viele Personen ein Infizierter durchschnittlich in einem bestimmten Zeitraum ansteckt. „Bei der Berechnung der Mittelwerte löst die RKI-Methode häufig Fehlalarme aus und ist daher nur bedingt geeignet, das Infektionsgeschehen zu beschreiben“, erklärt Mathematiker Möller. Statt einer einfachen Durchschnittsberechnung der Infektionszahlen, wie sie vom RKI vorgenommen werde, sei eine für Wellen-Berechnungen bestimmte Exponentialfunktion erforderlich, um starke Schwankungen zu unterdrücken und Ausreißer nicht überzubewerten: „Nur so konnten wir die Methode auch auf lokale Ausbrücke anwenden.“
Verlauf der Pandemie mathematisch analysiert
Möller und seine Co-Autoren belegen die Präzision ihrer Methode mit der Infektionskurve im Juni in Gütersloh, deren Verlauf sie – im Gegensatz zu anderen Rechenmodellen – nahezu exakt vorberechnet hätten. Das RKI, das seine Methode im Verlauf der Pandemie bereits mehrfach angepasst hat, mochte sich auf Anfrage nicht äußern.
Die Autoren haben den Verlauf der Pandemie in den vergangenen Monaten mathematisch analysiert und über deren Verbreitung sowie den Erfolg der Einschränkungsmaßnahmen das Buch „Corona – Zahlen richtig verstehen“ (116 Seiten, 9,95 Euro) geschrieben. Es ist im wissenschaftlichen Verlag Köster erschienen und bietet nach dessen Angaben in Zeiten der Verunsicherung mit fundierten Informationen leicht verständlich klare Orientierung.
Schwerpunkt im Buch ist Gefahr einer zweiten Corona-Welle
Einer der Schwerpunkte im Buch ist die Gefahr einer zweiten Corona-Welle in Deutschland. „Viele Experten glaubten im Juni, die zweite Welle kommt bestimmt“, sagt Ralf Reintjes. „Einige Wochen später behaupteten andere, die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle sei gering. Dann wieder hörte man: Die zweite Welle komme im Herbst.“ Dies habe einige Menschen im Sommer verführt, im Urlaub oder auf Partys unvorsichtig zu werden, da neue Gefahr ja angeblich erst im Herbst drohe: „Sehr gefährlich.“ Festgestellt haben die Forscher allerdings, dass in vielen Ländern die zweite Welle tatsächlich etwa vier Monate nach der ersten kam.