Bergedorf/Reinbek/Geesthacht. Viele warteten um 11 Uhr auf den Probealarm am ersten bundesweiten Warntag. In einigen Orten vergeblich. In anderen ertönten Sirenen.
Groß angekündigt wurde der erste bundesweite Probealarm. Nicht überall waren Sirenen zu hören. Und auch gab es eine Panne bei der Warnung per App. Die über das sogenannte Modulare Warnsystem (MoWaS) versendete Warnmeldung sei verspätet zugestellt worden, teilte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn mit. „Grund dafür ist eine nicht vorgesehene zeitgleiche Auslösung einer Vielzahl von Warnmeldungen über MoWaS gewesen.“ Das zuvor besprochene Konzept habe hingegen eine reine Auslösung durch den Bund vorgesehen.
Die Bergedorfer Zeitung wollte wissen, wie der bundesweite Warntag in der Region funktioniert hat. Unsere Reporter waren an mehreren Orten in der Region unterwegs und haben genau hingehört:
Bergedorf: Im Zentrum waren die Sirenen kaum zu hören
Wenn Taxifahrer Wolfgang Böttcher morgens nicht im Videotext seines Fernsehers davon gelesen hätte, er hätte möglicherweise wie viele Passanten rund um den Bergedorfer Bahnhof von dem Probealarm nichts gehört. Ganz sachte waren Sirenen im Bergedorfer Zentrum zu vernehmen. „Ich denke, das kam aus Richtung Kirchwerder“, mutmaßt der Taxifahrer, der neben dem Bahnhofsgebäude auf Fahrgäste wartete. „Mir war es aber auch tatsächlich zu leise.“ Prinzipiell sei die Idee des bundesweiten Warntags nicht verkehrt, findet Böttcher, aber: „Die Frage ist ja nur, ob sich die Bürger im Katastrophenfall auch richtig verhalten und ob sie auch wissen, wo der nächste Schutzraum ist. Ich wüsste es übrigens nicht.“
Auch im Bergedorfer Bahnhofsgebäude scherte der Probealarm die Pendler kaum, weil die Sirenen so gut wie nicht hörbar war. Weder auf elektronischen Werbebannern noch auf den Fahrinformationen zu Bus und Bahnen war ein entsprechender Hinweis vermerkt. Es gab zwei Durchsagen auf dem Bahngleis – das war’s.
Reinbek: Von sechs umgerüsteten Sirenen heulen vier
Und sie heulen doch: Im Jahr 2019 blieben Reinbeks Sirenen stumm. Doch heute, Punkt 11 Uhr, heulten von sechs Sirenen im Stadtgebiet immerhin vier, darunter auch das Alarmsignal am Rosenplatz. Die Reinbeker allerdings nahmen davon kaum Notiz: Vor dem Eingang der Gemeinschaftspraxis wurde weiter geklönt, während der Warnton an- und abschwoll. Eine von der Eisdiele zurückkehrende Schulklasse senkte den Altersschnitt der Passanten beträchtlich. „Du merkst es daran, dass der Sirenenton nicht nach zwei Minuten wieder aufhört“, erläuterte die Lehrerin einer Schülerin.
Ein Mann auf der Bank schaut kurz auf sein Handy und geht ruhig wieder seiner Wege. Nein, keine Warn-App, er habe nur wissen wollen, was los sei. Reinbeks Sirenen waren extra für den Warntag noch auf digital umgerüstet worden. Warum die auf der BeGe am Querweg und am Glinder Weg in Reinbek stumm blieben, will das Bauamt am Freitag klären.
In Worth läutet vor der Sirene erst noch die Kirchenglocke
Odnung muss sein: In der 180-Seelengemeinde Worth bei Geesthacht läutet um Punkt 11 Uhr zunächst erst noch die Glocke der St.-Marien-Kirche, ehe die Sirenen deutlich hörbar schrillen. Nur kümmert das (fast) niemanden. Auf der Dorfstraße ist zumindest kein Mensch. Nur beim Hofladen Schultz guckt Tochter Anina Merry (4) neugierig durch die Tür. Vater Stefan ist Wehrführer der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr und nicht überrascht, dass die Menschen im Dorf gelassen mit dem Probealarm umgehen. „Die meisten Einwohner waren über eine Whats-app-Gruppe über den Warntag informiert. Und dass Sirenen heulen, sind wir durch Krümmel auch gewohnt“, sagt Stefan Schultz.
Zudem gibt es einmal im Monat einen Probealarm im Ort. Spannend wird es erst, wenn die Sirenen außer der Reihe angehen. „Dann gucken alle tatsächlich aus ihren Häusern und wollen wissen, was los ist“, sagt Schultz. Hintergrund: Weil es in der Wache keinen Feuermelder gibt, wird ein echter Einsatz so verkündet.
Vierländer lassen sich nicht aus der Ruhe bringen
Die am Gebäude der Grundschule Zollenspieker montierte Sirene konnte die Menschen in der Umgebung nicht aus der Ruhe bringen. In den Klassenzimmern lief der Unterricht normal weiter. Bei der nahe gelegenen Bäckerei Bahn, ebenfalls am Kirchenheerweg, war der Probealarm kein Gesprächsthema. Die Kunden kauften Brötchen und Kaffee wie an jedem anderen Vormittag. Gisela Schröder, Anwohnerin am Kirchenheerweg, arbeitete während des Geheules in ihrem Garten. „Wir Anwohner kennen das von früheren Probealarmen, etwa bei den Deichverteidigungsübungen, oder auch von größeren Feuerwehreinsätzen“, sagt sie. In der Gegend würden vorwiegend alteingesessene Vierländer leben: „Die lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen.“
Die Redaktion erreichte nach dem Alarm ein Anruf des früheren bz-Redakteurs Peter von Essen. Der Rentner lebt in Neuengamme und empfand die Sirenen als zu leise. „Mir haben auch mehrere Nachbarn gesagt, dass sie kaum etwas gehört haben.“ Viele Sirenen in Hamburg wurden modernisiert.
Reaktionen im Netz: „Hatte mir mehr versprochen“
Auf der Facebook-Seite der Bergedorfer Zeitung nutzen viele User die Gelegenheit, um über das Hören oder eben Nichthören der Sirenen zu diskutieren. So schrieb ein Anwohner aus Aumühle, dass dort nichts zu hören gewesen sei. Dafür hätte der Hinweis über die Warn-App NINA einwandfrei funktioniert. In Lohbrügge-Nord habe man hingegen ein Heulen der Sirenen vernommen. Aber: „Es war viel zu leise. Wenn wirklich mal was wäre, würde ich das wohl kaum mitkriegen“, schreibt eine junge Frau.
Zu einem ähnlichen Urteil kamen auch Leser aus Bergedorf-West. Auch sie empfanden die Sirenen als deutlich zu leise. Die Warn-Apps hätten hingegen ausgelöst, aber verzögert. Auch Leser aus dem Herzogtum meldeten sich zu Wort. So kommentierte eine Geesthachterin: „So viel Lärm um nichts. Sirenen sehr leise in Geesthacht. NINA hat nicht angeschlagen. Hatte mir sehr viel mehr davon versprochen nach den ganzen Berichten.“