Boberg. Petra Criwitz (61) hat im Brandverletzenzentrum der Klinik Boberg ins Leben zurückgefunden – und möchte auch Anderen Mut machen.

An jene Nacht des 22. Septembers 2019 kann sich Petra Criwitz nur noch verschwommen erinnern. Da ist das Hochschrecken aus dem Schlaf, das Feuer, der Qualm. Die schreckliche Gewissheit, dass es im Erdgeschoss ihres Hauses in Tangstedt (Stormarn) brennt. Der Moment auf dem Balkon, als sie die Hitze spürte, sich wegen der Höhe aber nicht zu springen traute. „Und in der Ferne habe ich die Feuerwehr gehört.“ Dann – nichts mehr. Bis zum 4. November, als die damals 60-Jährige im BG Klinikum Hamburg-Boberg mit schweren Brandverletzungen am Körper erwachte. Dass sie nun demnächst das Krankenhaus verlassen darf und neu ins Leben starten kann, verdankt sie auch der Klinik, wie sie sagt: „Das Pflegepersonal, die Ärzte, alle waren so engagiert.“

Klinik Boberg versorgt den gesamten norddeutschen Raum

Das Boberger Unfallkrankenhaus ist mit seinem Zentrum für Schwerbrandverletzte einer der wichtigsten Versorger für Brandopfer im norddeutschen Raum. Das Zentrum verfügt über eine Brandverletztenintensivstation mit sechs Betten (etwa 20 Fälle im Jahr) sowie über eine Akutstation mit 15 Betten (etwa 190 Fälle jährlich). Hier in Boberg werden schwerste Fälle behandelt – Menschen, deren Körper so stark verbrannt ist, dass sie ohne Behandlung sterben würden.

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„Mein Körper hätte die Schmerzen ohne künstliches Koma nicht ausgehalten“, sagt auch Petra Criwitz, heute 61 Jahre alt. „Mein Herz hätte aufgehört, zu schlagen.“ Das Feuer und der heiße Rauch hatten, als sie auf dem Balkon stand, ihr schlimmes Zerstörungswerk getan. Die Haut ihres Körpers – mit Ausnahme von Gesicht, Rücken und Gesäß – verbrannte, ihre Fingernägel schmolzen von der Hitze.

Operationen von Brandopfern werden nach Möglichkeit vermieden

Im Brandverletztenzentrum werden solche Patienten zunächst in einen speziellen Aufnahmeraum gebracht. Dort wird unter sterilen Bedingungen eine gründliche Bestandsaufnahme gemacht. Die Wunden werden gereinigt und verbunden. Anschließend kommen die Patienten in eine „Intensivbox“ zur Überwachung und weiteren Therapie. Wie es dann weitergeht, unterscheidet sich von Patient zu Patient. Wenn möglich, werden Operationen wegen des Risikos vermieden.

Bei Petra Criwitz war der Zustand „tagelang kritisch und die Prognose zunächst unklar“, erinnert sich Dr. Kathleen Hennecke, Ärztliche Leiterin des Zentrums für Schwerbrandverletzte. „Etwa 62 Prozent ihrer Körperoberfläche wiesen Verbrennungen auf, viele davon waren sehr tief.“ Sicher sei gewesen, dass Petra Criwitz „einen langen Weg vor sich hat“.

Ein gutes Stück dieses Weges hat die 61-Jährige inzwischen zurückgelegt. Auch dank der Therapeuten, die sie begleiteten. Physio- und Ergotherapeutinnen bemühten sich um die Tangstedterin. Es ging ums Bewältigen von Schmerzen, um das Trainieren der Beweglichkeit – aber auch um die psychische Belastung nach dem Brand.

Sie verlor fast ihr ganzes Hab und Gut im Feuer

Denn Petra Criwitz hatte nicht nur fast ihr ganzes Hab und Gut durch das Feuer verloren. Die einstige HSV-Sekretärin weiß auch bis heute nicht, was das verheerende Feuer ausgelöst hatte. Offenbar hatte ein Unbekannter an ihrem Haus gezündelt. Die Polizei ermittelte, konnte den Brandstifter aber nicht ausfindig machen. „Das ist aber keine bohrende Frage für mich“, stellt die 61-Jährige fest. Denn sie hat sich von Anfang an vorgenommen, den Schicksalsschlag zu bewältigen.

Das war nicht immer leicht. „Als ich wieder wach wurde, wusste ich zuerst nicht, ob ich noch lebe oder tot bin“, erzählt sie. Hinzu kamen schlimme Alpträume im künstlichen Koma. Diese Träume erinnerten sie vom Aufbau und Ablauf an eine Art Videospiel: „Am Ende wirkte jeder Traum wie genau so ein Spiel, bei dem man weiß, wenn ich dieses Level jetzt nicht schaffe, dann muss ich wieder ganz von vorne anfangen.“

Mehrfach wurde die Tangstedterin im BG Klinikum Boberg operiert. Von ihrem Rücken wurde Haut geschält und an die geschädigten Stellen transplantiert. Schmerzen habe sie all die Zeit dank guter Medikamente kaum gehabt, sagt Petra Criwitz. Dennoch ist bis heute vieles ein Kampf. Die Behandlung der Narben an ihrer linken Hand steht noch an, um deren Beweglichkeit weiter zu verbessern. Und sie muss sehr strikt darauf achten, nicht in die Sonne zu kommen. „Es fängt sonst an, sehr zu jucken.“ Ein wichtiges Ziel für Petra Criwitz ist auch, wieder längere Strecken laufen zu können und nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen zu sein.

Vor fünf Jahren der erste Schicksalsschlag: Ihr Mann starb

Ihre Schwester half ihr durch die schwere Zeit. Erst fünf Jahre zuvor hatte die Tangstedterin einen anderen Schicksalsschlag erlitten, als ihr geliebter Ehemann nach kurzer, schwerer Krankheit starb. Nun auch noch der Verlust des gemeinsamen Hauses. Und schwere Verletzungen – einen Körper, der nicht mehr derselbe war. „Als ich bei der Physiotherapie meine verbrannten Beine sah, kamen mir die Tränen“, erzählt Petra Criwitz. „Ich fand, dass ich immer so schöne Beine gehabt hatte.“ Dennoch ist sie froh, keine Verbrennungen im Gesicht zu haben. „Ich bin froh, dass mein Gesicht unverändert ist und ich auch geistig fit geblieben bin. Ich habe meinen Körper so wie er jetzt ist akzeptiert und die Narben gehören jetzt eben zu mir.“

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Auch sonst ist die 61-Jährige voller Tatkraft. Sie hofft, das UK Boberg nach mehr als zehn Monaten bald verlassen zu dürfen. Dann wird sie erstmals die Ruine ihres Hauses sehen. Später möchte sie diese abreißen lassen und dort einen Bungalow errichten – Platz für sich selbst und gern einen kleinen Hund. Ihre beiden Deutschen Doggen, die zuvor bei ihr lebten, sind bei Freunden untergebracht.

„Ein anderes Leben wird jetzt für mich beginnen“, sagte Petra Criwitz. „Und vielleicht gibt ja meine Geschichte jemandem Mut. Es gibt immer einen Weg, man muss ihn nur finden.“