Boberg. Das verseuchte Gebiet in der nördlichen Boberger Niederung wird nun genau unter die Lupe genommen. Es gibt 71 Bohrlöcher.

Langsam, aber unnachgiebig schraubt sich die Spirale des Trockenbohrers in den vergifteten Waldboden – bis zu zehn Meter tief. Ein stählernes Rohr umschließt den Bohrer, damit er bei seiner permanenten Drehung keine oberflächennahen Dioxinspuren in die tiefen Schichten drückt. In dem vermutlich durch die Hamburger Chemiefirma Boehringer in den 50er- und 60er-Jahren mit Dioxin verseuchten Areal der Boberger Niederung haben vor Kurzem die Tiefbohrungen begonnen. Aus insgesamt 71 Bohrlöchern holt die Rendsburger Spezialfirma Ivers Brunnenbau im Auftrag der Hamburger Umweltbehörde Erdreich aus der Tiefe, das in den kommenden Wochen und Monaten auf Dioxingehalt untersucht wird.

Vier Stunden Bohrzeit – wenn kein Findling stört

Etwa vier Stunden dauert eine solche Bohrung. „Aber nur, wenn alles glatt geht und kein dicker Findling im Weg liegt“, sagt Bohrmeister Stefan Bruhn. „Haben wir alles schon gehabt.“ Ohnehin sei das dicht baumbewachsene Gelände mit bis zu 30 Prozent Hanglage eine Herausforderung.

Auch generelle Bodenbeschaffenheit wird dokumentiert

„Wir suchen nicht nur nach Dioxinspuren, sondern dokumentieren auch die sonstige Beschaffenheit der Bodenschichten“, erklärt Projektleiter und Geograph Gunnar Rolle von der Hamburger Ingenieurgesellschaft Melchior & Wittpohl: „Dieses Wissen fließt dann in die Entscheidung ein, welche Sanierungsmaßnahmen auf dem Gelände ergriffen werden.“

Halbes Areal wieder zugänglich

Bislang hatte die Umweltbehörde den Boden nur bis zu 30 Zentimeter Tiefe untersucht und von den anfangs vier Hektar gesperrter Fläche die Hälfte wieder freigegeben, weil dort in dieser geringen Tiefe nichts zu finden war. Seitdem können auch die Angelvereine wieder ihre Plätze am Teich erreichen.

Verursacher Boehringer nicht mehr in der Haftung

Dessen Wasser ist frei von Dioxin, ebenso das Grundwasser unter dem Gift-Gelände. „Dioxin ist nicht wasserlöslich, daher sitzt es hier im Boden fest“, erklärt Nele Raddatz, Umweltwissenschaftlerin und Sachbearbeiterin der Umweltbehörde. Je tiefer das Gift nachgewiesen wird, um so weniger Sinn hat es, den Boden auszuheben und zu entsorgen. „Mit Geotextil abdecken und 30 Zentimeter Boden aufschütten – eine andere von mehreren Lösungen“, beschreibt sie. Allein die Untersuchungen vor der Sanierung kosten etwa eine Million Euro. „Und gegen Boehringer bestehen keinerlei Ansprüche“, sagt Raddatz. „Es ist zu lange her.“ Gleichwohl verhandelt Staatsrat Wolfgang Michael Pollmann mit der Geschäftsführung über eine Beteiligung.