Bergedorf. Öffentliche Rechtsauskunft der Hansestadt berät Geringverdiener in juristischen Zwickmühlen. Das Angebot kostet gerade einmal 15 Euro.

Der Stapel an Rechnungen und Mahnungen darf hoch sein: „Wir lesen jedes einzelne Papier und kümmern uns immer um den ganzen Fall“, sagt Klaus-Ulrich Tempke – und hält das Angebot für „konkurrenzlos günstig". Wer zur Öffentlichen Rechtsauskunft (ÖRA) der Hansestadt geht, muss maximal 15 Euro bezahlen – sofern die Einkommensprüfung ergibt, dass ein Rechtsanwalt nicht zu bezahlen ist. Deutschland ist schließlich ein sozialer Rechtsstaat: „Auch der wirtschaftliche Schwache hat Rechte“, betont der ehemalige Strafrichter.

Meist zwei Richter und zwei Anwälte beraten in der ÖRA-Bezirksstelle Bergedorf. Sie wissen natürlich, dass sie kein Mandat in ihrer eigenen Kanzlei weiterführen dürfen. Die außergerichtliche Einigung ist das Ziel – „auch, wenn manche Leute ihre Schulden aktuell nicht bezahlen können“, so Tempke.

In Hamburg gibt es 19 Beratungsstellen

Seit 15 Jahren leitet der 68-Jährige ehrenamtlich die Bezirksstelle, eine von insgesamt 19 in Hamburg (eine Beratungsstelle liegt sogar in der JVA Fuhlsbüttel). Der Amtsrichter, der 2005 bei einem Messerangriff so schwer verletzt wurde, dass er in Frühpension gehen musste, hat sein Ehrenamt bereits 1986 in der Hauptstelle an der Dammtorstraße begonnen – und seither „die breite Palette des Lebens“ miterlebte.

Nahezu klassisch seien Jugendliche, die das PC-Passwort ihrer Eltern kennen und illegal Filme oder Musik herunterladen – bei einem hohen Streitwert bis zu 1200 Euro. Oder es geht um Gewährleistung nach Kauf eines Notebooks, das oft abstürzt: Die ersten sechs Monate nach dem Kauf wird noch ein Produktfehler angenommen, so Tempke „danach gilt für die Gewährleistung die Umkehr der Beweislast“.

Verkäufer arbeiten häufig auf Provisionsbasis

Vor allem auf ausländische Mitbürger hätten es die Betrüger häufig abgesehen: Da wird eine Wohnung dreimal vermietet und jeweils 500 Euro Anzahlung verlangt. „Oder Stellschilder am Bahnhof und im CCB versprechen einen günstigen Handy-Tarif. Die Verkäufer, die auf Provisionsbasis arbeiten, verraten aber nicht, dass der Tarif nur drei Monate gilt. Oder dass die Vorwahlen für Syrien oder Afghanistan ausgenommen sind“, so Tempke.

Zum „Butter-und Brot-Geschäft im Zivilrecht“ zählen auch solche Fälle, wenn die Ehefrau mitten im Rosenkrieg die Briefe an ihren Mann unterschlägt – weil der sich ja „ärgern und erstmal den Unterhalt zahlen soll“. Oder der gewalttätige Mann darf sich der Familie nicht nähern, weil ihm die Polizei eine zehntägige Wegweisung auferlegt hat. Tempke: „Die fragen dann, wie sie ihre Papiere und Wertsachen aus der Wohnung holen sollen. Das machen wir aber nicht, da soll lieber ein guter Freund gehen.“

Jährlich werden in Bergedorf etwa 1300 Fälle gezählt

Etwa 1300 Fälle werden alljährlich in Bergedorf gezählt, maximal 20 Prozent fallen ins Strafrecht. Da werden T-Shirts, Parfüm oder Elektrotechnik geklaut, „obwohl man in keinem Land der Welt sich einfach so bedienen darf“, so der Richter. Körperverletzungen werden ebenso beanstandet wir Beleidigungen, etwa im Kleingartenverein. „Aber Letzteres stellt die Staatsanwaltschaft meistens ein, weil es da kein öffentliches Interesse gibt.“

Spannender sei da schon das Erbrecht: Auch wer seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr zum Vater hat, will nicht, dass die ungeliebte Stiefmutter das Haus und die Münzsammlung behalten darf. Da muss alles genau aufgelistet werden. „Da staunt man dann, dass die Leute völlig mittellos sterben. Da wird gelogen, bis die Schwarte kracht, manche hatten angeblich nicht einmal eine Taschenuhr“, sagt Klaus-Ulrich Tempke grinsend.

Zunehmend Fälle, in die psychisch Kranke verwickelt sind

Anderes sei aber wirklich traurig, „etwa wenn der Enkel verhindern will, dass die Gaga-Oma alles der Kirche oder der Krebshilfe vererbt“. Zudem gebe es zunehmend Fälle, in die psychisch Kranke verwickelt sind: „Manche haben jemanden angespuckt. Oder sie hauen nachts laut gegen Wände. Aber das ist nicht justiziabel, diese Menschen sind nun mal krank.“

Nicht immer aber ist Ratsuchenden zu helfen: Wer schon mit einem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid kommt, hat zu lange gewartet – und sich nicht innerhalb der zweiwöchigen Widerspruchsfrist gewehrt. „Da können wir auch nicht mehr zaubern“, so der ehrenamtliche Rechtsberater. Und was kann ihm noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern? „Wenn die Leute sich bedanken und einen netten Brief schreiben, weil die Versicherung nach einem Unfall jetzt doch zahlt. Dann freuen wir uns.“

Unbedingt telefonisch vorher anmelden: Wer in Hamburg wohnt oder arbeitet, kann innerhalb von 14 Tagen einen Termin bei der Öffentlichen Rechtsauskunft (ÖRA) in Bergedorf bekommen. Dazu muss man sich montags oder mittwochs zwischen 8 und 12 Uhr anmelden unter Telefon 0176/ 42 86 37 43. Die ehrenamtlichen Rechtsberater stehen dienstags und donnerstags von 17 bis 18.30 Uhr zur Verfügung. Wer an den Weidenbaumsweg 21 kommt (CCB-Eingang A, 3. Stock), sollte alle Unterlagen und einen Einkommensnachweis aller zum Haushalt gehörenden Personen mitbringen. Aufgepasst: Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsrecht werden ausschließlich in der Hauptstelle an der Dammtorstraße behandelt