Nettelnburg. Vollblut-Gitarrist aus Nettelnburg (50) wagt sich an Sommeralbum, mischt 70er-Jahre-Gitarrensounds mit modernen Beats.

Es ist eine laue Sommernacht. Irgendwo am Mittelmeer. Oben auf der Kuppe eines Felsens sitzt der einsame Nachtschwärmer, während unten vom Strand dumpfe Beats emporsteigen, Menschen ausgelassen feiern. „Unten in der Bucht ist die Party, du guckst von oben in den Sternenhimmel.“ Mit der Beobachterrolle kann sich Andreas Dopp bestens anfreunden. Der 50 Jahre alte Berufsmusiker versucht mit seiner neuen Platte „Sunset in Stereo“ (erscheint am Freitag, 29. Mai) genau diese Atmosphäre einzufangen.

Wieder hat sich Dopp einer neuen Herausforderung gestellt: Schon seine ersten beiden Silberlinge „Taiga Taxi Volume 1“ (2014) und „Taiga Taxi Volume 2“ (2017) vertonten russische Geschichten in osteuropäischer Gitarrenfolklore. Das Erstaunliche daran: Das Ganze klingt sehr authentisch, obwohl der verheiratete dreifache Familienvater bisher nie dort gewesen ist.

Kein Super-Sänger, dafür Gitarren-Guru

Nun wagt er musikalisch den Schritt in wärmere Gefilde. Dominierten auf den Vorgängern Akustikgitarren, ist es jetzt der Klang der 70er-Jahre-E-Gitarre vordergründig, wie damals bei Songs wie „Albatross“ von Peter Green oder „Samba pa ti“ von Santana, angereichert mit angenehmen modernen Beats. Alles fast ausschließlich instrumental und mit einer wiedererkennbaren Klangästhetik der Gitarre: „Sie muss erzählen, wenn die Stimme fehlt“, sagt Andreas Dopp, der sich selbst mit einem Augenzwinkern „nicht zwingend als Sänger buchen“ würde.

Der aus der Ferne heran wabernde Ibiza-Sound – auch der entstand eher im Kopf von Dopp. Ab und an weilt der 50-Jährige zwar in Spanien, ist aber alles andere als ein Clubgänger in iberischen Party-Hochburgen. Die Inspiration kam bei langen Spaziergängen oder bei Ausflügen in die Natur. Die Instrumentierung ist vielschichtig und wurde an verschiedenen Orten eingespielt: Klaviere, Analog-Streicher, Moog-Synthesizer, sogar einen Kontrabass-Spieler holte sich der exzellente Gitarrist ins Studio. Doch die persönliche Note erhält das Album durch Dopps Arbeit am Mischpult: „Das ist der Kick, es so zu klingen zu lassen wie die Stereoanlage deiner Eltern im Jahr 1974.“

Fröhlich ist anstrengender als melancholisch

Und überhaupt: So leichtfüßig sich etwa „On the Rooftop“ oder „Shooting Stars“ anhören, war der Produktionsprozess gar nicht: „Ein Sommeralbum zu machen ist eine ziemliche Herausforderung“, meint Andreas Dopp. Während die Taiga-Taxen eher mit Moll-Klangfarben durch den wilden Osten vorankamen, passen zu einer sonnigen LP Dur-Töne besser. Zwei Jahre hat Dopp an seinen Stereo-Sonnenaufgängen gewerkelt – manchmal nah an der Verzweiflung: „Einer fröhlichen Musik Gehalt zu geben, ist schwierig“, sagt Dopp.

Doch er hat es geschafft. Zwölf Titel sind entstanden. Und obwohl Stücke wie „A thousand Lights“ oder das Titelstück eigentlich rausfliegen sollten, weil sie zunächst nicht der eigenen Klangästhetik entsprachen, urteilt der Künstler schlussendlich so: „Das ist mein bestes Album bisher.“ Besonders stolz ist der Gitarren-Maestro aus Nettelnburg darauf, dass „Sunset in Stereo“ auch auf Vinyl erscheint.

Hoffentlich bald wieder mit Horwitz unterwegs

Das könnte, wenn es die Corona-Situation wieder zuließe, auch mal live vor Publikum vorgestellt werden. Konzerte will Profimusiker Dopp nicht ausschließen. Das muss aber mit seiner Hauptarbeit zusammenpassen. Denn ab zweiter Jahreshälfte möchte der 50-Jährige wieder Schauspieler und Sänger Dominique Horwitz bei Jacques-Brel-Abenden an der Gitarre begleiten.