Bergedorf. Die Corona-Krise hat in Bergedorf und in ganz Hamburg einen Ansturm auf Kleingärten ausgelöst.

„Viele Leute wollen ihre Freizeit jetzt nicht mehr auf dem Balkon verbringen, sondern sehnen sich nach mehr privatem Erholungsraum“, sagt André Kochsiek (47), seit Januar Vorsitzender beim Kleingartenverein an der Rothenhauschaussee. Bis Anfang April waren dort jahrelang 25 bislang unbenutzte und unbebaute Parzellen frei und mit meterhohen Birken- und Ahorn-Setzlingen verwildert. Gestern waren es noch sieben. „Und auch die sind bald vergeben, obwohl es auf dieser Teilfläche nur Wasser- und keine Stromanschlüsse gibt“, sagt Kochsiek, der im April einen Landwirt mit der Rodung beauftragte und am Sonntag zwölf Stunden mit Vertragsabwicklungen für die neuen Mitglieder beschäftigt war. „Nun werden hier fleißig Hütten gezimmert, Fotovoltaikanlagen installiert und Beete angelegt.“

Die meisten Anlagen sind voll belegt

Andere Kleingartenvereine in Bergedorf sind längst voll belegt. „So einen Andrang gab es hier noch nie“, sagt Christine Nawrocki, seit sechs Jahren Vorsitzende beim Verein Gartenpark Buschkoppel am Havighorster Weg. Sie bekommt täglich Anfragen per Telefon oder E-Mail, könnte mehr als 30 Interessenten auf der Warteliste haben: „Aber mehr als zehn schreibe ich da nicht drauf, die müssen ja schon bis zur nächsten oder übernächsten Saison warten.“

Fragebogen für Interessenten

Ein gutes Dutzend Anfragen hat der Vorsitzende Gerhard Prager vom Kleingärtner-Verein Lohbrügge von 1926 am Röpraredder notiert. Er rät dennoch allen Interessenten, einen Fragebogen mit ihren Wünschen auszufüllen. „Da sieht man dann schnell, wo eine Parzelle passt und wo nicht.“

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Wer einen der meist 250 bis 300 Quadratmeter großen Kleingärten ergattert, zahlt dafür auch heute noch einen fairen Preis: Rund 90 Euro beträgt laut Kochsiek die jährliche Pacht, hinzu kommen Müll-, Wasser- und Abwassergebühren sowie Vereinsmitgliedschaft. Ein Holzhaus lasse sich für weniger als 10.000 Euro errichten. An der Rothenhauschaussee seien es fast ausschließlich junge Familien, die neu hinzukommen: „Deutsche, Russen, Ägypter, da ist alles dabei.“

Tat für Tag neue Anfragen

„So eine Nachfrage haben wir noch nicht erlebt“, sagt auch Dirk Sielmann, Geschäftsführer des Landesbundes der Gartenfreunde in Hamburg, dem 311 Vereine mit etwa 33.000 Parzellen angeschlossen sind: „Jeden Tag kommen mehr Anfragen.“ Grundsätzlich habe jeder eine Chance, irgendwann den Zuschlag für einen Kleingarten zu bekommen, denn das Einkommen spiele bei der Vergabe keine Rolle. Wer aber in Altona oder Eimsbüttel lebe, werde derzeit nur schwer eine freie Parzelle in der Nähe finden. „In Altona liegt die Wartezeit bei drei bis fünf Jahren“, dämpft der Geschäftsführer allzu große Erwartungen. Die Nachfrage sei zudem im Bezirk Nord sehr groß. Also überall dort, wo durch große Neubauprojekte stark nachverdichtet wurde.