Bergedorf. Hauptausschuss tagt weiter hinter verschlossenen Türen. Linke fordert Online-Übertragung, Bezirksamtsleiter winkt allerdings ab.

Die Bezirksversammlung und alle ihre Fach-Ausschüsse fallen seit Wochen schon Corona zum Opfer. Bloß der Hauptausschuss tagt noch – auch heute wieder, aber trotz umfangreicher Tagesordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Doch darf Bergedorfs Politik so Entscheidungen treffen? Obwohl das Bezirksverwaltungsgesetz vorschreibt, dass ihre Gremien „grundsätzlich öffentlich“ tagen?

Stephan Jersch (Linke): Live-Stream „dringend erforderlich“

Stephan Jersch sieht dies kritisch. Der bezirkspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft hält es für „dringend erforderlich“, dass die Sitzungen zumindest jetzt im Internet per Live-Stream zu verfolgen sind. „Es gibt eine unverständliche Verweigerungshaltung bei Bergedorfs gewählten Politikern. Dabei basiert Demokratie auf Öffentlichkeit. Die Bürger dürfen nicht gehindert werden, die Sitzungen der Gremien live zu verfolgen.“

Bezirksversammlungspräsidium entscheidet über Online-Bilder

Bergedorfs Verwaltungschef Arne Dornquast hält dagegen: Die Bezirksämter hätten sich anders verabredet, und auch er verspüre „keine positive Leidenschaft zu diesem Thema. Wir werden Online-Übertragungen nur im Einzelfall zulassen, und zwar nur bei Themen von überragender politischer Bedeutung.“ Was darunter fällt, das entscheide das Präsidium der Bezirksversammlung von Fall zu Fall. „Überragend wäre etwa eine öffentliche Plandiskussion zu Oberbillwerder“, meint Dornquast. Derzeit erledige der Hauptausschuss lediglich nur das „normale Alltagsgeschäft“.

Hauptausschuss hat Tagesordnung mit 19 Punkten

Tatsächlich hat sich mittlerweile jedoch einiges angestaut. So umfasst die heutige Tagesordnung 19 Punkte, darunter das Klimaschutzkonzept, die Neuorganisation des Schulschwimmens, das Verteilen von Geld für Straßensanierungen und ausgerechnet jetzt die Digitalisierungsstrategie des Bezirksamtes.

Bezirksamtsleiter sorgt sich um Persönlichkeitsrechte

Trotzdem bleibt die Öffentlichkeit draußen, selbst digital. Anders ist das im Bezirk Wandsbek, wo die Bezirksversammlung Ende März einen Streamingdienst für die Übertragung der Sitzung beschlossen hat. Zudem ist dort der Zugang der Medien weiter zulässig – was mit dem heutigen Hauptausschuss übrigens auch wieder für Bergedorf gilt. Dennoch: Was im anderen Bezirk, in der Bürgerschaft und auch im Bundestag klappt, scheint für Bergedorfs Politik kompliziert zu sein. Da geht es etwa um die Persönlichkeitsrechte: Jeder müsse mit einem Live-Stream einverstanden sein. „Schließlich sitzt die ganze Welt hinter der Kamera“, so Dornquast: „Es muss zudem sichergestellt sein, dass niemand etwas aufzeichnen und weiterverarbeiten kann.“ Nicht zuletzt würde der Datenschutz nur den Blick auf einen Ort im Saal zulassen, nämlich das Rednerpult.

Linke sieht „Hinhaltetaktik“

Jersch schüttelt den Kopf: „Es gibt durchaus Abgeordnete, die es schaffen würden, ihr Handy aufs Rednerpult zu legen und auf Facebook einen Live-Stream zu ermöglichen.“ Das Bergedorfer Lamentieren sei „augenscheinlich ein Hinhalten, weil man keine Lösung finden will“.

Bürgerschaft soll Bezirksverwaltungsgesetz ändern

Stephan Jersch und die Fraktion der Linken in der Hamburger Bürgerschaft wollen nun den Antrag stellen, das Bezirksverwaltungsgesetz zu ändern. Bloß geht das dummerweise nicht in der aktuellen Situation: Der zuständige Verfassungsausschuss der Bürgerschaft ist wegen des Coronavirus’ ebenfalls ausgesetzt.

Behörde prüft Datenschutz bei Online-Übertragungen

Das sei tatsächlich alles „technisch nicht so einfach“, und auch der Datenschutz werde aktuell noch geprüft, versucht Claas Ricker die Wogen zu glätten: „Vielleicht können wir Ende April mehr dazu sagen“, so der Sprecher der Hamburger Finanzbehörde. Er ahnt, dass das Thema Politik und Verwaltung noch länger beschäftigen wird, denn „Corona hat langfristig Einfluss auf die Digitalisierung unseres Alltags“.

Bergedorfs Rechtsamtsleiter gibt sich entspannt

Die aktuelle Bergedorfer Situation eines nicht-öffentlich tagenden Hauptausschuss sieht der hiesige Rechtsamtsleiter Peter Moller als gesetzlich gedeckt: „Hamburgs Corona-Eindämmungsverordnung vom 2. April untersagt alle öffentlichen und nicht-öffentlichen Veranstaltungen und Versammlungen. Das sind grundsätzlich auch alle politischen Gremien. Tagen dürfen sie trotzdem, weil ihre offiziellen Mitglieder davon ausdrücklich ausgenommen sind – aber eben nicht ihr Publikum.“