Bergedorf. Hoffen auf baldiges Ende des Shutdowns, doch große Sorge vor anschließender Rabattschlacht. Viel Zuspruch von den Stammkunden.

Wenige Tage nach Ostern folgt die Woche der Wahrheit für die Geschäfte im Sachsentor. „Bis zum 20. April halten wir noch durch. Aber dann wird es mit jeder weiteren Woche immer enger“, beschreibt Herrenausstatterin Martina Willhoeft die Lage in Bergedorfs Einkaufsstraße.

Nach Ostern folgen Wochen der Wahrheit

Das bestätigen auch die Inhaber der Geschäfte, die noch geöffnet haben: „Wir sind bei unter 20 Prozent Umsatz“, sagt Weinhändler Christoph von Have, dessen Geschäft als Lieferant für Gastronomie und Kreuzfahrtschiffe derzeit ganz wegfällt. Und Kollege Stefan Müller, Geschäftsführer von Kaffee Timm, weiß: „Noch hat Ostern für Umsatz gesorgt, wenn auch deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. Aber danach wird sich zeigen, wo die Kunden wirklich noch ihr Geld ausgeben.“ Im Sachsentor werde vieles nicht mehr so sein, wie vor der Krise.

Sorgenvoller Blick auf Karstadt

Zusätzliche Sorgen macht den Geschäftsleuten die unklare Lage des Karstadt-Konzerns. Seit 18. März sind auch die zwei Bergedorfer Häuser wegen der Corona-Verordnung dicht. Anfang April hat der Konzern staatliche Unterstützung beantragt und ist nun nach eigenen Angaben dabei, sich intern umzustrukturieren. Was das für die kleinen Standorte wie die im Sachsentor heißt, ist offen.

„Wer flexibel ist, der wird überleben“

Trotzdem setzen Bergedorfs Einzelhändler auf die Zukunft „ihrer“ City: „Wer flexibel ist, der wird überleben“, sagt Dine Marie Schiötz von der Boutique Alberte & Albertine. „Ich habe jetzt einen Instagram-Shop eröffnet, berate die Kunden vormittags telefonisch und reiche bestellte Ware dienstags und freitags durch die Ladentür nach draußen.“

Kunden entdecken besonderen Wert lokaler Geschäfte

So macht es auch Kollegin Karin Krenzien von La Cara. Ihre Erfahrung: „Vielen Kunden ist in dieser Krise bewusst geworden, welchen Wert lokale Geschäfte haben. Hier gibt es Beratung, kann alles anprobiert und natürlich auch nach Hause geliefert werden.“ Herrenausstatterin Willhoeft wird täglich von Stammkunden durch die Schaufenster gegrüßt, es gibt viele Gespräche an der Ladentür. „Alle brennen darauf, endlich wieder durch die Geschäfte zu bummeln.“

Nach Wiederöffnung wird Rabattschlacht befürchtet

Dennoch blicken besonders die Textilhändler mit Sorge auch auf die ersten Wochen nach der Wiederöffnung: Sie fürchten sich vor einer Rabattschlacht. Willhoeft: „Bei allen Lieferanten sind die Lager voll. Sie halten die Ware zurück, weil wir nichts verkaufen. Sobald aber die Bundesregierung den Shutdown beendet, müssen wir die Ware abnehmen.“

Nachfrage auf einstellige Prozentwerte zurückgegangen

Auch Juwelier Koch tut von der persönlichen Auslieferung durch den Chef bis zum Goldschmiede-Service fast rund um die Uhr alles, um die Kunden auch in der Coronakrise zu halten. „Aber die Nachfrage ist auf einstellige Prozentwerte zurückgegangen. Weil wir den Laden nicht öffnen dürfen, bleiben die Kunden weg. Wir leben derzeit fast nur von Aufträgen aus der zum Glück sehr starken ersten März-Hälfte“, beschreibt Inhaberin Birgit Koch-Schallenberg die Lage.

Modebranche hätte im April eigentlich stärksten Monat

Noch schlimmer trifft es die Modehäuser im traditionell stärksten Monat April. Neidisch schauen sie auf die Lebensmittler, die weiter öffnen dürfen, wenn auch nur mit wenigen Kunden gleichzeitig im Geschäft. „Das könnten wir problemlos auch leisten“, sagt Herrenausstatterin Martina Willhoeft. „Leider dürfen wir aber mindestens bis 20. April gar nicht öffnen.“

Bild der Einkaufsstraße wird sich verändern

Die Lage ist ernst für den Einzelhandel im Sachsentor. Auch wenn fast alle Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, teils Geld aus den Rettungsschirmen beantragt wurde: Nicht jedes Unternehmen kann die Wochen der Zwangsschließung in gewohnter Größe und Angebot überleben. Das Bild der Einkaufsstraße und ihrer Läden wird sich verändern.

Krise als Chance, die City zukunftsfähig zu machen

„Bei allen Sorgen und Problemen bietet diese Krise aber auch die große Chance, unsere City zukunftsfähig zu machen“, sagt Marc Wilken, Geschäftsführer des Bergedorfer Wirtschaftsverbandes WSB. „Seit Jahren wird an verschiedenen Konzepten gearbeitet. Jetzt gilt es, alle Beteiligen von Händlern über Grundeigentümer und Interessenverbände bis zu Behörden auf einen Weg einzuschwören.“ Es geht um gemeinsames Marketing, attraktive Sportangebote, mehr Gastronomie oder bessere Anbindung an den ÖPNV.

Wirtschaftsverband muss wichtigen Workshop verschieben

Genau das hätte am 23. April ein Workshop anschieben sollen – auf der Basis von Zahlen, Umfragen und Konzepten der Hochschule HAW. Aber der muss wegen Corona ausfallen. Wilken hofft, ihn im Sommer nachzuholen.

Hoffen auf Hilfe durch den Senat

Wer ein dann vielleicht beschlossenes Konzept umsetzt, ist unklar. Die Bergedorfer schauen auf Hamburgs Innenstadt. Dort ist es die Stadtentwicklungsbehörde, die mit allen Beteiligten gerade ein Entwicklungskonzept erarbeitet und anschließend federführend realisiert. Auf Nachfrage unserer Zeitung, wie Bergedorfs City nach der Coronakrise aussehen wird, bleibt die Stadtentwicklungsbehörde vage: Bergedorf werde zwar in Hamburgs Zentrenkonzept als Hauptzentrum geführt. Wie die Einkaufsstraßen hier nach dem Shutdown dastehen, sei aber nicht vorhersehbar. Und weiter: „Der Senat hat, unabhängig von der Coronasituation, die Weiterentwicklung des Bergedorfer Zentrums fest im Blick.“