Lohbrügge. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften zieht in zehn Jahren um. Präsident: Heutiger Standort ist „Sackgasse für die Wissenschaft“.
Der Umzug der Lohbrügger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) nach Oberbillwerder ist beschlossene Sache. Daran ließ Präsident Prof. Dr. Micha Teuscher Mittwoch keinen Zweifel: „Wir freuen uns sehr, dieses Angebot von Bezirksamt und Wissenschaftsbehörde bekommen zu haben. In zehn Jahren wird unser Department Life Sciences mit allen 280 Mitarbeitern und 3900 Studenten umziehen“, sagte er beim Infoabend „Die HAW als Arbeitsstätte in Oberbillwerder“.
Lohbrügger Mitarbeiter noch nicht beteiligt
Die Entscheidung habe das Präsidium getroffen, eine Beteiligung der Mitarbeiter in Lohbrügge sei nicht erforderlich. „Aber wir werden sie in die Umsetzung einbeziehen“, kündigte Teuscher den ersten internen Infoabend für Ende Januar an. Die Stimmung unter den Betroffenen sei positiv: „Trotz mancher Sorgen – unser Team hier sieht die Chancen“, verwies er darauf, am neuen Standort beim S-Bahnhof Allermöhe im Jahr 2029 eine ganz auf die Bedürfnisse der HAW zugeschnittene Hochschule für 5000 Studenten und rund 400 Mitarbeiter zu beziehen. „Das wird kein abgeschotteter Wissenschaftstempel wie die jetzige Lohbrügger Hochschule, sondern offen und kleinteilig, was entscheidend wichtig ist für unseren heutigen Ansatz als Problemlöser der mittelständischen Wirtschaft.“
Hebammen-Studium in Oberbillwerder
Gleichzeitig setzt er darauf, dass der neue Stadtteil mit seinen Cafés und Geschäften von den Studenten profitiert. Ob es auch Wohnheime für sie gibt, sei Sache des Studierendenwerks. Neben sämtlichen Lohbrügger Studiengängen und Instituten ist geplant, auch den am Berliner Tor entstehenden Pflegewissenschaftsbereich mit Hebammen-Studium, Physiotherapie und Logopädie nach Oberbillwerder zu verlagern. Der 50 Jahre alte Standort Lohbrügge sei dagegen „für moderne wissenschaftliche Nutzung eine Sackgasse“.
Zukunft des HAW-Gebäudes in Lohbrügge unklar
Was aus dem denkmalgeschützten, aber stark sanierungsbedürftigen Gebäude in Lohbrügge wird, ist völlig offen. Denn die Begeisterung des HAW-Präsidenten über den Umzug der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in 2029 nach Oberbillwerder hat eine Schattenseite: Zusammen mit Bezirksamtsleiter Arne Dornquast machte Prof. Dr. Micha Teuscher beim Infoabend zum Umzug unmissverständlich deutlich, dass der 49 Jahre alte Hochschulbau trotz Denkmalschutz keine Zukunft hat.
Energetische Sanierung zu teuer
„Hier müssen Studenten und Professoren im Winter bei 13 bis 14 Grad frieren, im Sommer bei teils über 35 Grad schwitzen“, so Teuscher, der auf das Gutachten der Wissenschaftsbehörde verwies, wonach eine energetische Sanierung einen dreistelligen Millionenbetrag kosten würde und damit unwirtschaftlich sei. „Dem setzt der Denkmalschutz dann finanziell noch die Krone auf – und macht nebenbei dringend erforderliche Erweiterungen und Umbauten unmöglich.“
Bezirksamt sucht Ideen für den Altbau
Auch Arne Dornquast beließ es beim Lob für den Umzug, verleihe die Hochschule mit Gesundheits- und Ernährungsstudiengängen der „Active City“ Oberbillwerder doch genau das passende Profil. Erst auf Nachfrage aus dem Publikum, was denn in zehn Jahren aus dem Altbau werden solle, kam er auf Lohbrügge zu sprechen – mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Wir sind offen für Vorschläge, denn die beste Lösung für diesen Stadtteil ist noch nicht gefunden“, sagte der Chef des Bezirksamts. Das hatte den Umzug zwar selbst an die HAW herangetragen, habe aber keine Idee für eine Folgenutzung. „Wir stehen am Anfang eines sehr aufwendigen Planungsprozesses“, gab Dornquast mit Blick auf ein Jahrzehnt Galgenfrist zu. „Alle Bürger sind aufgefordert, sich zu beteiligen.“
Lohbrügger HAW-Areal Eigentum der Stadt
Gebäude und Gelände sind im Eigentum der Stadt. Einem Abriss steht der Denkmalschutz im Weg, der für die Zukunft eine Nutzung als Bildungseinrichtung vorsieht.