Bergedorf. Bergedorf. Das Ehepaar Derndinger eröffnet am Gojenbergsweg einen Nachbarschaftstreff als Ort der Begegnungen zum Klönen, Erinnern und Kickern.

Da gab es die Nachbarschaftsbanden von den Jungs der Holtenklinker Straße, die sich mit der Truppe vom Gojenberg balgten. Und dieses angepflockte Schaf auf der Wiese. Und die Eichenwaldschonung an der Hans-Matthiesen-Straße, die anfangs nur zwei Häuser hatte, sonst Schrebergärten. Solch kleine Geschichten erfuhr Anette Derndinger von betagten Menschen auf dem Gojenberg: „In einem Haus richteten die Engländer nach dem Krieg eine Schreibstube ein. Und die Bewohner erzählen, dass ihre Mutter mit ihnen auf die Kapitulation anstoßen musste“, erfuhr die Musikpädagogin, die seit elf Jahren selbst auf dem Gojenberg wohnt.

„Gojenberg. Geschichte. Gemeinsam“

Mit ihrem Mann Tobias, ausgebildeter Theaterregisseur und heute Bauherr in Bergedorf, richtete sie nun einen Ausstellungs- und Begegnungsraum namens „Gojenberg. Geschichte. Gemeinsam“ ein. Er wird am Sonntag, 8. September, zwischen 11 und 15 Uhr der Öffentlichkeit vorgestellt. Nicht nur Nachbarn sind am Gojenbergsweg 30 u willkommen. Der Eingang ist gleich links neben dem 1909 errichteten Krankenhaus, das heute das Cura-Seniorencentrum beherbergt.

Durch Anklicken erzählt ein großes, interaktives Luftbild schon einzelne Hausgeschichten. „Das kann gern noch von den geschätzt 2000 Einwohnern ergänzt werden“, hofft Derndinger, der die 100 Quadratmeter große „Stätte zum Gucken und Treffen“ werktags von 10 bis 17 Uhr öffnet – und zum Tischkickern einlädt: „Da kann der 1. FC Gojenberg gegen das Villengebiet antreten, Herr Hinsche gegen Herrn Corthum kicken“, sagt der 47-Jährige schmunzelnd.

Schautafeln zu historischen Orten

Besucher erfahren zudem historische Fakten, die von der „Historiker-Genossenschaft“ zusammengetragen wurden: Auf zehn Schautafeln ist vom Krankenhaus und der Sternwarte zu lesen, von der Ernst-Henning-Schule und der kommunistischen Druckerei an der Heysestraße. Auch kann man sich über die Schriftstellerin Ida Boy-Ed informieren, den Politiker August Bebel oder den Heimatdichter Hermann Löns.

Erinnerung an „papagoje“

Nicht zuletzt liegen alte Karten aus, die zeigen, wo einst ein Galgen stand. Seltsame Geschichten gibt es zu Genüge, etwa auch die von der Stange mit dem Papageien aus Stoff: „Da hat man früher das Schießen geübt“, hörte Derndinger so auch vom niederdeutschen Wort „papagoje“ – eine ungesicherte Interpretation des Namens „Gojenberg“.

Gedenken an verstorbene Juden

Gesichert ist indes die Geschichte des jüdischen Polen Michel Nathan, der am Gojenbergsweg 1841 eine Begräbnisstätte anlegte. Zehn Menschen sollen später exhumiert und nach Ohlsdorf verlegt worden sein. „Heute ist das hier ein Bodendenkmal“, sagt Tobias Derndinger, der das Grundstück von der Hiba GmbH kaufte. Gleich nebenan öffnet er nun den Nachbarschaftstreff – in einer Baracke, die vom Krankenhaus für Cholera-Kranke genutzt wurde, später für die Schwesternschule.

Dass der Treff nicht seine Idee war, gibt Derndinger leichtherzig zu: „Es war eine Auflage des Bauamtes, dass ich mein Büro mit einer kulturellen Nutzung verbinde.“