Boberg . Boberg. Behörden geben Entwarnung und beruhigen Anwohner: Keine Kontamination in Wohngebiet, keine flächendeckende Verseuchung.
Entwarnung für weite Teile des Boberger Naturschutzgebiets: Der Anfangsverdacht einer schwerwiegenden Dioxinverseuchung des Bodens bestätigt sich nicht. Im Herbst 2018 war bei einer Boden-Mischprobe ein Wert von 721 Mikrogramm Dioxin pro Kilogramm Boden und somit der höchste jemals ermittelte Wert in Hamburg festgestellt worden. Doch neue Ergebnisse, die nun Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) vorstellten, lassen aufatmen.
Die Umweltbehörde (BUE) hat auf der abgesperrten Fläche zwischen Parkplatz Unterberg und Walter-Hammer-Wanderweg seit Oktober 2018 etwa 900 weitere Proben aus bis zu 60 Zentimeter Tiefe analysiert. Der höchste dabei festgestellte Dioxinwert betrug 24 Mikrogramm pro Kilogramm Boden, Teilflächen seien unbelastet gewesen. Gesetzlich erlaubt ist auf Wohn- und Freizeitflächen nur ein Mikrogramm. Voraussichtlich ein Hektar (10.000 Quadratmeter) der abgesperrten Fläche von insgesamt vier Hektar müsse saniert werden, teilte die BUE mit. Dies wird vermutlich mehrere Jahre dauern.
Fische, Beeren, Pilze, Wasser nicht gesundheitsgefährdend
Untersucht wurden auch die umliegenden Wohngebiete von Mümmelmannsberg und Boberg, Angelteiche, Badeseen, das Grundwasser, selbst Fische, Beeren sowie Pilze. Ergebnis: keine Kontamination mit Dioxin und somit keine gesundheitliche Gefährdung.
„Deshalb sind wir erleichtert, größtenteils Entwarnung geben zu können“, sagte Cornelia Prüfer-Storcks. Dioxin wird zu 95 Prozent über Nahrung, sonst über Atemwege aufgenommen und ist krebserregend.
Gespräche mit Boehringer laufen
Deshalb spach Umweltsenator Kerstan von einem „schweren Umweltvergehen“. Klar scheint zu sein, dass das Dioxin aus dem 1984 geschlossenen Moorfleeter Werk des Chemiekonzerns Boehringer stammt. Nur Boehringer habe die aufgefundene Schadstoffkombination bei der Produktion des Insektizids Lindan hergestellt. „Wir können aber nicht sagen, wie der kontaminierte Bauschutt dort hinkam. Wir sind in guten Gesprächen mit Boehringer“, sagte Kerstan.
Eine große Sorge der Bevölkerung nach dem Dioxinschock ist entkräftet: Mehr Krebserkrankungen konnte die Gesundheitsbehörde für das Untersuchungsgebiet und die benachbarten Areale ausschließen. Wie Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks mitteilte, seien in Boberg und Mümmelmannsberg beim Vergleich mit ähnlichen Stadtteilen keine Auffälligkeiten, Häufungen und Sterbefälle im Krebsregister über 20 Jahre (1996 bis 2015) aufgefallen. Wer dennoch unsicher ist und Fragen hat, könne sich damit ans Bergedorfer Gesundheitsamt wenden.
Abbaggern oder abdecken?
Die Verdachtsfläche von vier Hektar bleibt weiterhin abgesperrt, eine Fläche von rund einem Hektar muss zwingend saniert werden. Dazu erläuterte Thomas Haupt, Fachmann für Altlasten bei der BUE, folgende Alternativen: „Wir können einerseits die Schadstoffe vor Ort lassen und die Fläche abdecken, andererseits den kontaminierten Boden abbaggern, wegfahren und vernichten.“
Die erste Variante wäre in drei, die zweite in viereinhalb Jahren abgeschlossen. Kosten und Umfang der Sanierung seien aber noch gänzlich unklar, teilte Umweltsenator Jens Kerstan mit. Bislang wurden für die Untersuchungen in Boberg rund 250.000 Euro aufgewendet.