Boberg. Boberg. Mit einer schweren Knochenentzündung kam der Junge 2016 nach Boberg. Gesund kehrte er jetzt nach Afghanistan zurück.
Vielleicht war es eine verschleppte Mittelohrentzündung. Oder ein nicht ausgeheilter Infekt im Rachen-Mandel-Bereich. Was genau es war, das den kleinen afghanischen Jungen Mohammed so krank gemacht hatte, konnten später auch die Ärzte im BG Klinikum Hamburg-Boberg nicht mehr genau herausfinden. Sicher war nur, in Mohammeds Körper hatte sich eine Knochenentzündung ausgebreitet. Keime kreisten durch sein Blut, richteten in der Nähe der Wachstumsfugen schwere Schäden an, drohten ihm seine Knochen zu brechen – und ihm damit seine Zukunft zu nehmen.
Dass Mohammed jetzt gesund nach Afghanistan zurückkehren konnte, das ist nun ein Happy End, das der Junge den Ärzten des Unfallkrankenhauses Boberg ebenso verdankt wie dem Friedensdorf International. Diese Hilfseinrichtung aus Oberhausen holt regelmäßig schwer kranke Kinder aus armen Familien in Afghanistan und Angola zur Behandlung nach Deutschland, lässt sie in Kooperation mit mehreren Kliniken wie dem Boberger Unfallrankenhaus behandeln. Ziel ist, die Kinder zu heilen, damit sie in ihrer Heimat wieder eine Zukunft haben.
Brüche in Mohammeds Oberschenkeln
Auch Mohammed hätte in Afghanistan nicht behandelt werden können. Zu weit war seine Krankheit fortgeschritten. 2016, mit zwölf Jahren, wurde der Junge nach Deutschland geflogen und nach Boberg gebracht. „In einem seiner Oberschenkel war ein Bruch angelegt, und auch auf der Gegenseite hätte sich irgendwann ein Bruch entwickelt“, sagt Dr. Rita Schoop, Oberärztin in der Septischen Unfallchirurgie und Orthopädie der Klinik und behandelnde Ärztin von Mohammed.
Mit Antibiotika gegen die Keime war es da längst nicht mehr getan: Weil die Infektion in der Nähe der Wachstumsfugen Schäden anrichtete, fehlte Mohammed ein Teil der Knochen, der neu aufgebaut werden musste. Der Junge musste etliche Operationen über sich ergehen lassen, die Beine wurden durch einen Fixateur geschient, die noch fragilen Oberschenkelknochen schließlich mit Platten gefestigt.
37 Kinder seit 1999/2000 in Boberg behandelt
Viele Kinder, die in Boberg behandelt werden – seit Beginn des Programms 1999/2000 waren es 37 – leiden an solchen Knochenmarkentzündungen. „In Europa gibt es diese übers Blut gestreuten Knochenmarktentzündungen kaum noch“, sagt Schoop. Denn hier werden Infektionen mit Antibiotika behandelt. In vielen Entwicklungsländern werden solche Infektionen nicht erkannt – mit schlimmen Folgen gerade für die Kinder.
Dennoch ist es für die Familien kein leichter Schritt, ihre Kinder zurBehandlung in fremde Hände zu geben. Und auch der ruhige, zurückhaltende Mohammed habe in Deutschland „viel geweint“, sagt Janna Leptien vom Friedensdorf International.
Viele Kinder haben Heimweh
Die Ärzte in Deutschland sind oft ihre einzige Hoffnung auf ein gesundes Leben in der Zukunft. Doch viele Kinder, die über die Teams des Friedensdorfes International zur Behandlung nach Deutschland geholt werden, sind eben auch nur Kinder wie alle anderen. Und so ist das Friedensdorf in Oberhausen, wo die jungen Patienten leben, auch ein Ort des Heimwehs.
„Die Kinder wollen alle zurück nach Hause“, sagt Janna Leptien aus dem Büro Oldenburg. Und das nicht etwa, weil es hier schrecklich wäre, sondern einfach „weil es eben ihre Heimat ist, wo ihre Familien leben“. Um das Heimweh und auch die Sorge der Eltern daheim nicht zu fördern, ist der Kontakt nach Hause deshalb stark eingeschränkt.
Auch Mohammed, der gut zwei Jahre in Boberg wegen einer Knochenentzündung behandelt werden musste, „sei sehr traurig gewesen“, sagt Janna Leptien. „Er wollte unbedingt nach Hause.“ Und als einmal die geplante Rückreise doch noch verschoben werden musste, sei der Junge untröstlich gewesen.
Jetzt jedoch ist der 14-Jährige nach Afghanistan zurückkehrt, wird allenfalls dann nochmal nach Deutschland kommen müssen, wenn die Platten am Oberschenkel entfernt werden müssen.
Nach Deutschland kommen nur arme Kinder
Die Rückkehr der Kinder in ihre Heimat ist strenge Maxime des Friedensdorfes. Die Kinder werden nicht nur sehr sorgfältig ausgewählt – nach Deutschland kommt nur, wer arm ist und in seinem Heimatland nicht adäquat behandelt werden könnte –, es sollen auch keine Begehrlichkeiten geweckt werden. Deshalb sind die Kinder in Deutschland weitgehend unter sich, es gibt eine liebevolle Betreuung, aber wenige Kontakte nach außen.
Zur Abreise darf dann auch nur ein Koffer gefüllt werden, eine Einheitsgröße für jedes Kind. Nicht alles darf dort hinein. Beispielsweise nichts, was die Eltern daheim erzürnen könnte. Und auch keine elektrischen Geräte, die dort sowieso nicht funktionieren. Oder Kontaktdaten aus Deutschland. „Die Familien dort sind arm. Sie sollen nicht verführt werden, hierherzukommen“, sagt Janna Leptien.
Spenden erwünscht
Infos zu Spenden an das Friedensdorf unter www.friedensdorf.de. Auch das BG Klinikum muss die Behandlung der Kinder teilweise über Spenden finanzieren: Empfänger BG Klinikum Hamburg gGmbH, IBAN: DE63 2004 0000 0120 3900 00.