Bergedorf. . Jugend-Suchtberatung „Eine Schule ohne Drogenproblem wäre utopisch“

    Um über Drogen im Umfeld von Bergedorfer Schulen zu berichten, war Lisa Skutella in den Jugendhilfe-Ausschuss eingeladen worden. Sie arbeitet bei der Jugendsuchtberatung (Juko) von Kodrobs an der Lohbrügger Landstraße – und schilderte eine alarmierende Situation.

    „Ich glaube, dass jede Schule ein Drogenproblem hat. Anderes anzunehmen, wäre utopisch, denn da sind schließlich die Jugendlichen“, so Skutella, die sich vorwiegend (zu 70 Prozent) um 14- bis 27-Jährige kümmern soll. Allerdings seien es inzwischen schon Elfjährige, die kiffen – wenn sie auch noch nicht suchtkrank seien: „Das Einstiegsalter wird gefühlt immer jünger, es gibt eine gezielte Anwerbung im Grünen Zentrum und an Schulen. Wenn die einmal angefüttert sind, rutschen sie schnell in die Dealerei.“

    Man brauche also ein neues Angebot für Jüngere, schlägt Elsbeth Elsner (CDU) vor. „Eine Beratung ist schon ab der Pubertät nötig“, meint auch Heribert Krönker (Grüne). Kodrobs würde gern auch Jüngere beraten dürfen, denn: „Die Kinder kommen oft aus hochbelasteten Familien und haben nicht gelernt, Nein zu sagen. Sie kennen keine Ausreden, um nicht mitkiffen zu müssen“, so die Suchtberaterin, die zuletzt von einem 16-Jährigen hörte, der zu einem Kind sagte: „Wenn du was verrätst, kommst du ins Heim.“

    Im vergangenen Jahr hat Kodrobs 246 Menschen beraten, davon 199 direkt Betroffene. Ein Großteil (81 Prozent) ist männlich. Als primäre Konsumproblematik wird Cannabis mit 73 Prozent an erster Stelle geführt – im Vorjahr waren es noch 67 Prozent. Skutella warnt: „Der TCH-Gehalt im Cannabis steigt, wodurch eine Abhängigkeit schneller und wahrscheinlicher wird. Waren es früher drei Prozent THC, sind es jetzt 20 Prozent. THC ist der Wirkstoff, der high macht.“ Und das verstärkt, wenn zudem Amphetamine geschluckt werden. Cannabis sei zwar eine klassische Einstiegsdroge, aber „danach muss es nicht in die nächste Runde gehen, dass man irgendwann beim harten Heroin ankommt“, geht Skutella auf eine Frage von Brigitte Michiels-Lein (SPD) ein, ob Cannabis erlaubt werden solle.

    Auf Platz zwei der Suchtmittel junger Menschen steht mit 14 Prozent der Alkohol, gefolgt vom Glücksspiel. Während Crystal Meth mit 0,1 Prozent in Hamburg kaum ein Thema sei, würden immer mehr Beratungsstellen von Schmerzmitteln berichten, die junge Erwachsene einnehmen, wenn sie unter Leistungsdruck stehen. „Auch opiathaltige Medikamente wie Fentanol und Tilidin sind auf dem Schwarzmarkt zu haben.“

    Während sich die Lohbrügger Beratungsstelle wünscht, sich auch offiziell um Schüler unter 14 Jahren kümmern zu dürfen, wächst an anderer Stelle ein neues Problem: „Die Unterkünfte für Geflüchtete sind eine Herausforderung, die Zahl der suchtgefährdeten Migranten steigt langsam. Viele werden von Schulen zu uns geschickt, aber es fehlen Dolmetscher. Wir können bloß Russisch und Englisch anbieten“, sagt die Suchtberaterin, die ohnehin derzeit bei der Präventionsberatung allein ist: Die zweite Stelle ist aktuell unbesetzt. Und auch die benachbarte Beratung Erwachsener sei unterbesetzt.

    Kooperationen mit Schulen, aber auch mit dem Jugendamt und der Jugendgerichtshilfe sind fruchtbar, bestätigt die Bergedorfer Jugendrichterin Marion Schiefer, die in Hauptverhandlungen Angeklagte trifft, die bereits Kontakt zur Suchtberatung hatten: „Sie haben wirklich einen Zugang zu den Jugendlichen und finden eine Gesprächsebene, damit vernünftig gearbeitet werden kann“, lobt sie: „Ganz toll, da passiert wirklich Gutes.“

    Sechs Monate warten aufeinen Therapieplatz

    Doch Hilfsangebote sind knapp, zumindest sei mit ein bis zwei Wochen Wartezeit zu rechnen. Eine offene Sprechstunde gibt es nicht – aber „Kodrobs wird keinen abweisen, wenn es um Krisenintervention geht“, verspricht Lisa Skutella – und bittet dennoch um Geduld: „Auf einen Therapieplatz muss man sechs Monate warten.“