Bergedorf. Bergedorf. Seit 25 Jahren gibt es das Straßenmagazin Hinz&Kunzt. Verkäufer Erich Heeder macht sich Sorgen.
„Niemand kennt Hamburgs Straßen besser“, so steht es auf Erich Heeders Verkäuferausweis. Im Fall des 65-Jährigen gilt das für die Märkte in Bergedorf und in Lohbrügge, wo er seit 16 beziehungsweise schon seit 24 Jahren an jedem Markttag steht – und bekannt ist wie ein bunter Hund. Immer mit dabei: Sein Hocker und ein Stapel seines Straßenmagazins Hinz&Kunzt, das er versucht, an den Mann oder an die Frau zu bringen.
Doch gerade in diesem Jahr, in dem das Magazin seinen 25. Geburtstag feiert, macht sich Heeder Sorgen: „Die Stammkunden brechen weg. Es gibt Tage, an denen verkaufe ich in zwei Stunden gar nichts.“ Die meisten seiner Kunden sind älter als 50, jüngere Käufer kommen kaum nach.
Hinz&Kunzt-Verkauf sinkt zum Monatsende
Gerade ältere Leute hätten schon viel erlebt und könnten sich eher hineinversetzen, wie es Menschen geht, die keine Arbeit oder sogar kein Zuhause haben. Die Flaute wird gegen Ende des Monats immer größer. Wenn die regelmäßigen Leser ihr Heft schon gekauft haben und das neue noch nicht erschienen ist, habe er wenig Kundschaft. Den Rückgang der vergangenen Jahre hat er Schwarz auf Weiß: Seine von ihm selbst geführte Statistik zeigt eine stete Kurve nach unten.
Heeder ist einer von 530 Verkäufern, die über ganz Hamburg verteilt sind. Das Heft erscheint ein Mal im Monat, hat eine Auflage von 66 000 Stück und kostet 2,20 Euro. Die Hälfte davon geht an die Verkäufer, von denen viele obdachlos, Hart-IV-Empfänger oder Rentner sind. Sie bekommen durch den Verkauf die Chance auf ein regelmäßiges, selbst erarbeitetes Einkommen und den Kontakt mit Menschen.
Projekt bietet auch Hilfe durch Sozialarbeiter
Hinz&Kunzt als gesamtes Projekt bietet außerdem Hilfe durch Sozialarbeiter, die zum Beispiel medizinische Hilfe vermitteln oder Rat beim Umgang mit Behörden anbieten. Hinter dem Projekt, das 1993 gegründet wurde, steht zu zwei Dritteln das Diakonische Werk Hamburg und zu einem Drittel die Patriotische Gesellschaft von 1765.
Vor 24 Jahren half das Projekt auch Erich Heeder: Neun Monate lang war er obdachlos, dann fing er an, das Magazin zu verkaufen und fand schließlich wieder eine Wohnung in Kirchsteinbek. Statt wieder als Heizungsbauer oder in der Metallverarbeitung zu arbeiten, blieb Heeder dem Straßenmagazin treu, in das er viel Herzblut steckt: „Es ist wichtig, dass es diese Zeitung gibt. Das Projekt tut viel Gutes und bietet den sozial Schwachen eine Lobby“, so der heutige Rentner, der außerdem vielbeschäftigter Stadtteilkünstler in Mümmelmannsberg ist.
Magazin trage sich durch Verkäufe und Anzeigen
„Der Rückgang der Auflage ist ein allgemeiner Trend bei Straßenmagazinen, genauso wie bei anderen Zeitungen“, sagt Chefredakteurin Birgit Müller. Das Magazin trage sich selbst durch die Verkäufe und Anzeigen. Das gesamte Projekt werde auch weiterhin von Spendern gut unterstützt. Auch deshalb mag sie nicht von einer größer werdenden sozialen Kälte sprechen.
Sie bemerkt stattdessen, dass es hierzulande immer mehr Armut gibt und zu viele Menschen auf der Straße leben müssen: „Die Menschen sind der Armut überdrüssig, weil sie sich davon überfordert fühlen. Für viele Passanten ist die viele Armut schwer zu ertragen. Die blenden das dann aus.“
Themen: Hinz&Kunzt will kein „Jammerblatt“ sein
Seit November 1993 erscheint das Straßenmagazin Hinz& Kunzt im gleichnamigen gemeinnützigen Verlag. „Kein Jammerblatt“ möchte die Hinz&Kunzt nach eigener Aussage sein. Ihr Heft soll stattdessen unterhaltsam und relevant sein, eine Mischung aus Politikmagazin, Stadtzeitung und Kulturführer für jedermann, eben für Hinz und Kunz. Professionelle Journalisten schreiben nicht nur über das Thema Obdachlosigkeit, sondern auch über Armut und Zuwanderung, ebenfalls über ausbeuterische Wohnverhältnisse und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Autoren versuchen dabei immer nah dran zu sein an den Menschen und ihren Problemen. Das Ziel: eine soziale Stimme in der Stadt, „eine Art Greenpeace fürs Soziale“.