Bergedorf. Bergedorf. Die ehemaligen Bewohner sind zwar provisorisch untergebracht – doch diese Bleibe wird zum Winter für Obdachlose benötigt.

Baumängel, Unrat und drangvolle Enge – was soll nur werden mit dem alten Mehrfamilienhaus am Reetwerder 3? Die einst stattliche Immobilie geriet in diesem Jahr mehrfach in die Schlagzeilen. Am 22. März gab es eine Razzia unter der Beteiligung von Polizei, Bezirksamt und der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi). Der Verdacht: unzulässige Überbelegung und Mietwucher. Am 16. Mai wurde das Gebäude nach einem Schwelbrand im Keller komplett geräumt und für unbewohnbar erklärt. Daran hat sich bisher nichts verändert. Ein Rückzug der 158 im März angetroffenen Bewohner aus zumeist osteuropäischen Ländern in die 63 Zimmer im Haus ist nicht in Sicht.

Kaum Mängel behoben

Zwar haben Bezirksamt und Basfi die Vermieterin mehrfach aufgefordert, die zahlreichen Mängel zu beheben, doch geschehen ist kaum etwas. Am 18. Mai beispielsweise sei Hauseigentümerin Marlies F., so heißt es von der Basfi, aufgefordert worden, spätestens bis Ende Juni die Elektroinstallationen im Haus instandzusetzen. Geschehen ist dies nicht: Die Vermieterin hat gegen fast alle Bescheide Widerspruch eingelegt. Lediglich am 28. März beseitigte ein Handwerker im Auftrag des Bezirksamts Mängel in mehreren Wohnungen, woraufhin 16 Personen vorübergehend zurückkehren durften. Die Kosten dafür musste die Vermieterin tragen.

Einige weitere Beispiele aus der Mängel- und Vergehensliste: Das Dachgeschoss ist zu Wohnraum umgebaut, im Keller ist eine Stahlwand eingebaut – für beides fehlen bauliche Genehmigungen. Rauchmelder fehlen oder funktionieren nicht. Es gab sogar zu wenige Mülltonnen. Ob das Gebäude zeitnah wieder bewohnbar wird, bleibt unklar.

Zwangsverwaltung wurde aufgehoben

„Das Haus kann erst wieder bezogen werden, wenn die Auflagen erfüllt sind“, heißt es von der Basfi. Und weiter: „Das Gebäude gehört weder der Stadt, noch wird es von uns vermietet. Wir haben keinen Einfluss auf Sanierungsarbeiten und kennen auch deren konkreten Stand nicht.“

Auch eine zwischenzeitlich vom Amtsgericht Bergedorf angeordnete Zwangsverwaltung wurde Ende Juni aufgehoben. Die Gläubigerin UniCredit Bank AG zog den Antrag zurück. Steuerfahndung, Polizei und Zoll sind mitten in den Ermittlungen, sagen zum laufenden Verfahren nichts.

Immerhin: Sozialbehörde, „fördern & wohnen“ und verschiedene Mietervereine haben gerichtlich erwirkt, dass etwa die Hälfte der Bewohner mittlerweile ihr Hab und Gut abholen konnten. Schwierig macht die Sache, dass Mietverträge dem Privatrecht unterliegen, dem Staat weitgehend die Hände gebunden sind. Die Verträge besitzen weiter Gültigkeit, das Hab und Gut der Mieter ist in ihren Wohnungen im Reetwerder geblieben. Am 12. Juli sei die Vermieterin gerichtlich aufgefordert worden, Zugang zum Haus zu ermöglichen. Nun müssen Vermieterin und Mieter einen Übergabetermin finden.

Noch „keinen Plan“ für weitere Unterbringung

Die 156 bei der Razzia angetroffenen Menschen im Haus Reetwerder 3 sind zum Großteil in der Friesenstraße in Hammerbrook untergebracht, einer Unterkunft von „fördern & wohnen“. Etwa 120 Personen sollen es sein, die dort auch von Sozialberatern betreut werden. Laut Behörde ist der Rest anderweitig untergekommen. Problem: Die Friesenstraße gehört zum Winternotprogramm für Obdachlose, die Zwischenmieter vom Reetwerder müssen bald raus.

Wohin, das weiß auch Bergedorfs Verwaltungschef derzeit nicht. „Es gibt noch keinen Plan für eine weitere Unterbringung“, sagt Arne Dornquast. „Der Fall ist komplizierter als andere.“ Von den alten Bewohnern liebäugeln einige mit einer Rückkehr an den Reetwerder – den Zuständen im Ekelhaus zum Trotz.