Bergedorf. Bergedorf. Er kam eigens mit dem Zug aus München: Ehemaliger Postler (47) sichert sich Andenken aus altem Dienstgebäude.
. Er wusste immer, dass ihm einmal ein Stück davon gehören wird. Aufmerksam verfolgte Martin Schierle die Entwicklung um die Hauptpost an der B 5. Ihm war nach dem Verkauf des Gebäudes im Jahre 2013 klar, dass sein Moment kommen würde, wenn der Bau abgerissen wird. Gestern war es soweit, die letzte Wand fiel: Noch bevor sämtlicher Schutt und Schrott weggekarrt wurde, sicherte sich der 47-Jährige zwei Klinkersteine von seinem ehemaligen, langjährigen Arbeitsplatz – überreicht von den Geschäftsführern des künftig hier stehenden Bergedorfer Tors.
Dafür nahm Martin Schierle elfeinhalb Stunden Bahnfahrt in Kauf. Von München in die alte Heimat Bergedorf und am selben Nachmittag wieder zurück. Als er die Trümmerwüste anschaut, die einst sein Arbeitsplatz war, sagt er: „Bei mir überwiegt jetzt die Aufregung mehr als die Trauer.“
Martin Schierle war ein „Vollblutpostler“
Zwischen 1986 und 2002 war Martin Schierle, der sich selbst als „Vollblutpostler“ bezeichnet, hier tätig. Er kennt die Geschichte seiner Post-Souvenirs: Der leicht gelbliche Stein stammt aus dem Hauptgebäude, dem Postverteilzentrum. Der rötliche Klinker war einst im Kundenraum verbaut.
Zunächst war Martin Schierle ein Jahr lang als Briefzusteller im gelben 80er-Jahre-Golf-II unterwegs, dann arbeitete er am Schalter, später als Kundenberater. Weil die damaligen Postbeamten flexibel eingesetzt wurden, kennt er alle alten Außenstellen in und um Bergedorf, war unter anderem letzter Filialleiter am Dünenweg in Lohbrügge.
Bei Übungen mit Gasmasken in den Bunker
Die Bagger haben das überirdische Hauptgebäude komplett verschwinden lassen, jetzt ist der Blick auf die unteren Etagen freigelegt. Die kennt Martin Schierle bestens: „Ich war zehn Jahre für den Katastrophenschutz in unserem Haus zuständig. Da hat sich dann bei Übungen die Belegschaft in den Bunkern mit Gasmasken versammelt.“
Die Abrissarbeiten liegen im Zeitplan, sagen die Projektchefs des Bergedorfer Tors, Karl-Friedrich Konietzky und Peter Appel, die im Neubau Büros, Wohnungen und weiteres Gewerbe errichten werden. „Demnächst wird der 82 Tonnen schwere Bunkerknacker die vier Schutzräume zerlegen“, sagt Konietzky. Der Kellerabriss soll Ende März vollzogen sein. Weiterer Bauschutt wird aktuell durch Recyclingmaschinen zu wertigem Material für den Straßenbau verarbeitet.
Einst waren hier 500 Menschen beschäftigt
Martin Schierle kam noch rechtzeitig an die alte Wirkungsstätte, um seine Andenken zu sichern. Damals waren in der Post über 500 Menschen beschäftigt. „Wir waren wie eine Familie“, erinnert sich der 47-Jährige. Sinnbild für den Zusammenhalt: Einmal vergaß Schierle einen wichtigen Brief im Verteilzentrum, ein Kollege fuhr mit dem Fahrrad los, um ihn irgendwo auf seiner langen Rundtour abzufangen: „Er hat mich dann im Fanny-David-Weg erwischt.“
Mittlerweile ist Martin Schierle nicht mehr Postbeamter, ins bayrische Moorenweis umgezogen und seit 2005 als IT-Forensiker beim Zoll beschäftigt. Kennengelernt hat er seine Ehefrau, mit der er einen Sohn (8) hat, passenderweise bei einem Postseminar in Bayern: „Die Post ist eben mein Leben.“ Sagt es und stapft Richtung Bahnhof davon.