Bergedorf. . Bundestagswahlkampf Wie Metin Hakverdi (48, SPD) auch diesmal als Direktkandidat für Harburg-Bergedorf punkten will
Noch zwölf Tage bis zur Bundestagswahl. In unserer Interview-Serie spricht heute SPD-Direktkandidat Metin Hakverdi (48) über Donald Trump, über Datenschutz und seine ersten vier Jahre im Bundestag. Und natürlich über seine Erwartungen zum Abschneiden der AfD.
Vor vier Jahren haben Sie Ihre CDU-Gegenkandidatin Herlind Gundelach als Direktkandidat locker übertrumpft. Seitdem hat die SPD in der Wählergunst nicht gerade zugelegt. Glauben Sie, dass es diesmal wieder reicht?
Das hat mit Glauben nichts zu tun. Aber ich bin zuversichtlich. Schließlich bin ich nicht nur zum Wahlkampf, sondern auch in den Jahren dazwischen viel im Wahlkreis unterwegs. Und ich erlebe bei meinen Begegnungen, dass speziell junge Menschen längt nicht so unpolitisch sind, wie viele Leute sagen. Sie sind nicht so parteipolitisch orientiert, wie wir es früher waren. Aber sie haben politische Fragen durchaus auf der Agenda.
2013 haben Sie Ihren Koffer für Berlin gepackt und sind in den Bundestag eingezogen. Was hat Sie dort am stärksten überrascht?
Ich hatte nicht erwartet, dass man im Bundestag als Einzelner noch Einfluss auf politische Entscheidungen hat. Das liegt daran, dass die eigentliche inhaltliche Arbeit in den Fachausschüssen passiert, wo zwischen 20 und 30 Leute sitzen. Im großen Plenum werden die Vorlagen dann mit den politischen Mehrheiten abgesegnet. Überrascht hat mich auch, dass viele Politiker, die ich aus dem Fernsehen kannte, in Wirklichkeit ganz anders sind. Mit vielen, die mir im TV nicht so lagen, bin ich dann doch schnell warm geworden, bei einigen anderen war es genau umgekehrt. Und ich hatte die 90 Minuten Entfernung Hamburg-Berlin mit der Deutschen Bahn unterschätzt. Wenn man die Strecke mehrmals in der Woche fährt, geht doch eine Menge Zeit dabei drauf.
Seit vier Jahren für unseren Wahlkreis in Berlin tätig – welche Erfolge können Sie vorweisen, welche Versprechen konnten sie erfüllen? Mit günstigeren Mieten in Hamburg ging es ja wohl eher nach hinten los.
Wir haben verstärkten Wohnungsbau für Bergedorf und ganz Hamburg geschafft. Die Mietpreisbremse funktioniert nicht so recht, weil wir mit der CDU zu viele Kompromisse eingehen mussten. Wenn der Hauseigentümer bei Neuvermietung nicht verpflichtet ist, die vorherige Höhe der Miete offenzulegen, kann auch niemand durchsetzen, dass er sie nur maßvoll erhöht. Erreicht haben wir außerdem einen deutlich besseren Bahn-Lärmschutz für Bergedorf und Lohbrügge. Jetzt gilt es aufzupassen, dass auch am S-Bahnhof Nettelnburg, wie von der Bahn zugesagt, weitere Lärmschutzwände entstehen. Ein deutlich dickeres Brett gibt es in um den S-Bahnhof Allermöhe zu bohren. Dort ist laut Bundesemissionsschutzgesetz kein weiterer Lärmschutz erforderlich, weil die Wohnbebauung nach 1974 entstanden ist und folglich hinreichend passiv gedämmt sein müsste. Speziell die Güterzüge sind aber unerträglich laut in diesen Wohnungen an der Bahn. Wenn wir hier Lärmschutz durchsetzen wollen, müssen wir geltendes Recht ändern.
Haben Sie sonst noch irgendwas bewegt?
Vergessen Sie nicht die Hamburger Sternwarte auf dem Gojenberg. Für deren Sanierung habe ich in Berlin fast zwei Millionen Euro eingeworben. Mein Dank gilt dabei unserer Hamburger Grünen-Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, die in der Hansestadt nochmal mehr als 1,1 Millionen Euro dafür auftreiben konnte. Mein erklärtes Ziel bleibt nun, die Sternwarte zum Unesco-Weltkulturerbe zu machen. Ansonsten habe ich kräftig mitgeholfen, dass Hamburg zum Fraunhofer-Standort wird. Bei den anderen Bundesländern gab es da durchaus Vorbehalte. Und ich arbeite am Datenschutz für eine hochmoderne Technik: dem Urheberschutz für Datenpakete, die für 3D-Laserdruckaufträge zwischen Unternehmen verschickt werden.
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird die AfD in den nächsten Bundestag einziehen. Bereitet Ihnen diese Aussicht Sorgen? Wird der politische Alltag erschüttert?
Nein, wir sehen es doch in der Hamburger Bürgerschaft. Die AfD findet dort kaum statt. Der demokratische Alltag wird auch in Berlin keinen Schaden nehmen.
Sie gelten in der SPD, ähnlich wie Ihr Vorgänger Hans-Ulrich Klose, als USA-Spezialist. Sie haben längere Zeit dort gelebt. Wie lange wird Donald Trump sich halten?
Wahrscheinlich länger als viele glauben und hoffen. Erst die Midterm-Elections im November 2018 könnten gefährlich für ihn werden, wenn die Republikaner bei den Wahlen fürs Abgeordnetenhaus eine Niederlage erleiden sollten. Klarer Fall, Donald Trumps Polarisierung der Bevölkerung ist eine Tragödie für das Land. Das Erfolgsmodell Deutschland dagegen ist ein Paradebeispiel, wie viel konsensorientierte Politik den Menschen geben kann. Trump ist es gelungen, die Verlierer der Globalisierung auf seine Seite zu bekommen. Die hatten genug von ihrem politischen Establishment und haben mit ihm das Nicht-Establishment gewählt. Auch bei uns hat Strukturwandel schon ganze Bevölkerungsgruppen getroffen, denken Sie mal an den Wechsel im Hafen aufs Container-System in den 1970er-Jahren. Wir sollten die USA als abschreckendes Beispiel nehmen und aufpassen, dass bei uns so etwas nicht noch einmal passiert. Auch hier gibt es Leute, die durch den Rost fallen. Wir dürfen sie nicht sich selbst überlassen, müssen ihnen Bildung und Ausbildung bieten.
Die immer wieder unzulänglichen Dienstleistungen der Post sind ein weiteres Spezialthema von Ihnen. Nun trägt die Post sich mit dem Gedanken, grundsätzlich nur noch zwei-, drei- oder viermal in der Woche zuzustellen.
Nicht mit mir. Die Deutsche Post sollte erstmal wieder lernen, ihren gesetzlichen Auftrag der täglichen Zustellung zu erfüllen, bevor sie uns mit irgendwelchen Modellen kommt. Gerade ältere Menschen sind auf Information auf dem Papierweg angewiesen. Wir leben nun einmal in dieser langen Umbruchzeit, in der wir beides brauchen: digitale und konventionelle Kommunikation. In 30 Jahren besteht unsere Gesellschaft vielleicht komplett aus „Digital Natives“, also Leuten, denen die Computertastatur in der Wiege lag. Bis dahin aber brauchen wir den verlässlichen und lückenlosen Informationsfluss auch auf Papier.
Die digitale Revolution hat auch viele Ansprüche an den Datenschutz ad absurdum geführt. Anfang der 80er-Jahre noch sind wir gegen die Volkszählung auf die Straße gegangen, dann haben wir den maschinenlesbaren Personalausweis als Teufelswerk staatlicher Überwachung gebrandmarkt. Heute stellen die Leute ein Vielfaches solcher Daten völlig freiwillig ins Netz. Ist Datenschutz, für den Sie sich selbst als Experte bezeichnen, nicht völlig überholt?
Klar hat sich da einiges geändert. Die Zielrichtung ist heute eine andere. Mit restriktiver Datensparsamkeit kommt heute keiner mehr weit, wenn er am Leben teilhaben will. Datenschutz bedeutet heute nicht mehr vorrangig, dass der böse Staat möglichst wenig über seine Bürger wissen soll. Vielmehr geht es darum, dass der Einzelne nicht mehr den weltweiten Unternehmen ausgeliefert ist, die mit unseren Daten Handel treiben. Die neue Datenschutzgrundverordnung ist da schon ein Segen, zum Beispiel das Marktortprinzip. Wer jetzt Facebook verklagen will, kann das in Deutschland tun und muss dafür nicht nach Dublin. Dann das Kollektivklagerecht für Träger öffentlicher Belange. Klagen gegen Google, Facebook und Co. müssen nicht mehr von einzelnen Betroffenen, sondern können auch vom Staat oder von einzelnen Kommunen angestrengt werden. Regelungen wie diese verweisen die längst übermächtigen Datenriesen in ihre Schranken.