Bergedorf. Erst war er als Kapitän der “Sea Watch“ im Mittelmeer unterwegs, nun will der Flüchtlingsretter ein neues Schiff anschaffen.
Sie waren eingesperrt, in Kellern und Schächten. Erst als aus ihren Familien kein Geld mehr herauszupressen war, setzten die Schlepper sie in ein Boot nach Sizilien. „Die Menschen sprechen nicht mehr. Sie zucken skeptisch zusammen, wenn man ihnen freundlich eine Flasche Wasser reicht“, berichtet Ingo Werth. Der 58-jährige kennt diese roten und ängstlichen Augen, weiß von Tausenden Flüchtlingen, die gefoltert wurden und misshandelt: „Jedes zweite Kleinkind stammt aus einer Vergewaltigung.“
Vereinsitz von „Resqship“ an der Osterrade
Seit Jahren ist der Kfz-Mechaniker auch als Seenotretter bekannt – und mit dem „Bergedorfer Bürgerpreis“ geehrt. Als Kapitän der „SeaWatch“ rettete Ingo Werth etwa 12 000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Bis er Ende 2016 die Zusammenarbeit aufgab, sich der Dresdner „Mission Lifeline“ anschließen wollte. Doch seit gestern hisst er eine eigene Flagge, ist ein neuer Verein eingetragen: „Resqship“ hat seinen Vereinssitz an der Osterrade und will mit 30 Mitgliedern ein eigenes Schiff zur Seenotrettung einsetzen.
„Das Schiff braucht Platz für ein Hospital“
Etwa ein Drittel der benötigten 400 000 Euro seien bereits in der Spendenkasse. „Das Schiff muss mindestens 40 Meter lang sein, braucht viel Decksfläche, Platz für ein Hospital und einen Kran“, sagt Werth, der mit Ingenieuren, Journalisten, Technikern und Ärzten zusammenarbeitet, „viele aus dem alten Team“.
Rolf Becker an der Serrahnstraße
Unterstützung kommt auch aus Bergedorf, von der Initiative „Fluchtpunkt“, dem DGB, Kulturforum und Kulturhaus an der Serrahnstraße 1: Sie haben für Montag, 11. September, den Hamburger Schauspieler Rolf Becker eingeladen. Von 19.30 Uhr an spricht er über die „Tragödie im Mittelmeer: Schäm dich, Europa!“ (Eintritt frei, Spenden erbeten).
Korrupte Küstenwache und Schlepper
„Wenn sich Europa schon an der afrikanischen Küste abschotten will, kann von Menschenrechten keine Rede mehr sein“, kritisiert Fluchtpunkt-Mitarbeiterin Anke Heidorn die Taktik der Bundesregierung, die libysche Küstenwache zu unterstützen. „Es gibt keine klare Trennung zwischen korrupter Küstenwache und Schleppern“ , mahnt Ingo Werth auch vor unzuverlässigen Verhandlungspartnern: „Es ist doch widerlich, mit Leuten zu dealen, die aus Europa gelieferte Waffen gegen uns Retter richten.“
„Abschottung ist Beihilfe zum Mord“
Europa, kritisiert Ingo Werth, wolle nun unterhalb der Sahelzone einen militärisch bewachten Zaun ziehen, die Menschen in ihren Herkunftsländern einsperren: „Das ist doch Beihilfe zum Mord.“ Vielmehr, so der Lohbrügger, müsse man sofort die Afrikapolitik ändern, etwa die Handelsverträge über Fischerei- und Schürfrechte unter Aufsicht einer Ethik-Kommission stellen. Werth: „Um Fluchtursachen zu bekämpfen, brauchen die Menschen fair bezahlte Arbeit und gerecht verteiltes Trinkwasser.“