Bergedorf. 175 Jahre Norddeutschlands erste Eisenbahn rollte am 7. Mai 1842 zum Frascatiplatz

. Am morgigen Sonntag könnte Bergedorf ein ganz großes Jubiläum feiern: Dann sind 175 Jahre vergangen, seit Norddeutschlands erste Eisenbahn rollte – von Hamburg nach Bergedorf. Damit hatten die Hanseaten den wichtigsten Technik-Wettlauf ihrer Zeit gewonnen: Nach der 1835 eingeweihten Strecke Nürnberg-Fürth betrieben sie die zweite Dampfeisenbahn in Deutschland, gebaut von keinem Geringeren als dem englischen Ingenieur William Lindley.

War das zum 150. Geburtstag 1992 noch Grund genug für ein riesiges Fest mit zahlreichen Dampfloks, Ausstellungen und sogar dem damaligen Bürgermeister Henning Voscherau als Bergedorfer Ehrengast, bleibt es in diesem Jahr ruhig. Erst für den 17. Mai ist im Rathaus für 17 Uhr die Vernissage einer kleinen Ausstellung geplant – mit dem vor 25 Jahren vom Modellbauer Horst Glanz geschaffenen Nachbau des 1842er-Bahnhofareals auf dem heutigen Frascatiplatz im Maßstab 1:87.

Damals hatte die Eisenbahngesellschaft in Bergedorf ein echtes Sehnsuchtsziel für Hamburgs Ausflügler geschaffen: Am Ende der schon seinerzeit nur 20-minütigen Bahnfahrt wartete ein „italienisches Viertel“ auf sie, mit vornehmen Ausflugslokalen wie dem „Portici“, dem „Colosseum“ und natürlich dem „Frascati“, das dem Areal seinen Namen gab. Vom gefragten Architekten Alexis de Chateauneuf entworfen, war es das größte der drei in jeweils besonderer Architektur errichteten Etablissements.

Verglichen mit ihnen war der eigentliche Bahnhof – als Nachbau bis heute am Neuen Weg erhalten – geradezu winzig. „Das ,Frascati’ ließ sich die Eisenbahngesellschaft mehr als das Doppelte der gesamten Bergedorfer Bahnhofsanlage samt Schleusengrabenbrücke kosten“, schreibt Dr. Geerd Dahms in einem ausführlichen Aufsatz zur Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn im neuen Lichtwarkheft (8 Euro; in allen Buchhandlungen): „Ausgestattet mit Terrassen, einem von breiten Wasserpartien umgebenen Garten, einem Wintergarten, 14 Zimmern, einem über 120 Quadratmeter großen Speisesaal und geschmückt mit Wandgemälden, Reliefs und Säulen wurde das Luxus-Ausflugslokal an den Hamburger Gastwirt Charles Maurice verpachtet.“

Ein Teil des Baus reservierte die Bahngesellschaft als Wartesaal für die Fahrgäste. „Allein in dieser 270 Quadratmeter großen und 8,60 Meter hohen Halle gleich hinter dem ,Frascati’-Eingangsportal hätte der Bergedorfer Bahnhof zweimal Platz gehabt“, schreibt Dahms. Die Station selbst beherbergte die Kasse, die Gepäckaufbewahrung und die Zwei-Zimmer-Wohnung des Bahnhofsvorstehers. Bevor ein Zug Bergedorf Richtung Hamburg verließ, schlug der dreimal die Glocke im Turm der Station, damit die Fahrgäste genug Zeit hatten, aus dem Wartesaal des „Frascati“ durch dessen Park, per Brücke über den künstlich angelegten Wasserlauf, über die Schienen und in den Zug zu gelangen.

Gar nicht gemütlich ging es dann aber am Tag der Jungfernfahrt zu. Statt einer feierlichen Eröffnung fuhren die Züge am 7. Mai 1842 Tausende Menschen aus dem brennenden Hamburg nach Bergedorf. Die vom 5. bis 8. Mai wütende Feuersbrunst zerstörte ein Drittel der Hansestadt.

Die Geschichte von Bergedorfs „italienischem Viertel“ sollte allerdings nur vier Jahre kurz werden. Denn die eigentlich über den Frascatiplatz hinaus geplante Verlängerung der Bahnlinie bis Berlin wurde 1846 weiter nördlich auf der heutigen Trasse über Reinbek, Friedrichsruh und Schwarzenbek realisiert. Bergedorf erhielt einen neuen Bahnhof an der Ortsgrenze zu Lohbrügge.

Die riesigen Ausflugslokale schlossen, und das „Frascati“ wurde sogar im selben Jahr ganz abgebrochen: Ein findiger Geschäftsmann hatte es für 10 000 Euro erworben – weniger als ein Siebtel der Bausumme – und baute es in Friedrichsruh wieder auf. Dort lief der Betrieb als Ausflugslokal weiter. Allerdings brannte es 1857 ab. Genau an seiner Stelle steht heute das Schloss der Familie von Bismarck.