Bergedorf. Nominierung Bürgerpreis Ehrenamtlicher Verein engagiert sich für Obdachlose
Wie fühlt es sich an, für den Bürgerpreis nominiert zu sein? Thorsten Bassenberg überlegt einen Moment und holt aus: „Was dahintersteckt, sind harte Arbeit und eine schwierige Anfangszeit. Die jetzige Nominierung ist eine Auszeichnung und Wertschätzung für das gesamte Team der Bergedorfer Engel“, sagt der 52-Jährige. Er ist 1. Vorsitzender der Bergedorfer Engel, eines Vereins, der sich zu 100 Prozent ehrenamtlich für ein kleines bisschen Normalität und Freude im Leben von Obdachlosen einsetzt.
Angefangen hat alles vor drei Jahren mit 20 Isomatten, die Bassenberg mit dem eigenen Pkw verteilte – und mit drei Obdachlosen, die an einem Sonntag Anfang 2014 zur ersten Verteilung an die Reeperbahn kamen.
Mittlerweile kommen zu diesem Termin an jedem zweiten Sonntag weit mehr, weil die Zahl der Obdachlosen gestiegen ist. Es sind zwischen 50 und 200 in Not geratene Menschen, die Bassenberg, Nora Picka-Pamperin (2. Vorsitzende) und das mittlerweile etablierte Engel-Team (gut 10 Helfer) mit mobilem Büfett, Kleidern, ärztlicher Hilfe und weiterem versorgen.
Die Idee dazu hatte Bassenberg gemeinsam mit einer seiner beiden Töchter, als er am 30. März 2014 die Initiative gründete und über Facebook eine Gruppe für die Obdachlosen-Hilfe gründete: „Bis es die ersten Spenden gab, dauerte es immerhin drei bis vier Monate“, erinnert sich Bassenberg an die schwierige Startphase. Dann funktionierte das private Spendensammeln endlich.
Die Entwicklung zeigt: Geduld, Einsatz und Hilfsbereitschaft haben sich gelohnt. Das, was die Bergedorfer Engel tun, kommt sehr gut an. Weil sie nicht abwarten, sondern zu den Obdachlosen hingehen. Weil die Spenden direkt bei den Bedürftigen ankommen. Weil sie unaufgeregt sind: „Wir sprechen die Obdachlosen normal und nett an. Wer nett fragt, bekommt immer eine nette Antwort. Das sind normale Menschen, die sich über ein Brötchen, einen Kaffee oder einen warmen Schlafsack freuen“, schildert Nora Picka-Pamperin.
Aggro-Typen? Alkoholiker? Die meisten, die das Schicksal zum Leben auf der Straße zwang, sind gebildet. Friedliche Typen. Mit bitteren Schicksalen. Die keine zwei Euro für eine Portion Essen haben. Wie der einstige Unternehmer aus München, dem nach der Pleite die Familie weglief. Oder der Oberstudienrat aus der DDR, der sich immer gefreut habe, „dass wir ihn mit Respekt behandelt haben“, erinnert sich Picka-Pamperin. „Viele scheitern an der Erwartungshaltung der Gesellschaft.“ Der Lehrer soll inzwischen gestorben sein.
Die Bergedorfer Engel sind seit Oktober 2016 ein Verein und haben viele Kooperationspartner gewonnen. Wie „Hanseatic Help“, Europas größte Kleiderkammer, den Outdoor-Ausrüster McTrek oder medizinische Helfer, Flüchtlingsinitiativen, andere Obdachlosen-Organisationen. Die Engel wollen niemandem etwas wegnehmen, sondern ergänzen, fahren, wenn es die Zeit erlaubt, dorthin, wo Hilfe benötigt wird. Auf St. Pauli ebenso wie in Altona, St. Georg oder auch Bergedorf. Überall auf der „Platte“. Orte, wo Obdachlose schlafen, die aber von den Bergedorfer Engeln bewusst nicht präzisiert werden. „Wir wollen doch auch nicht, dass jemand Wildfremdes bei uns im Wohnzimmer steht“, sagt Bassenberg.
Die Frontleute gehen sonst normalen Jobs nach. Der Bergedorfer als Teamleiter im Dialogmarketing, die Frau aus Kirchwerder als Assistentin der Geschäftsleitung des Berufsfortbildungswerks. Die 41-Jährige Mutter engagiert sich ansonsten noch als Wildtierpflegerin. Ihr männliches Pendant wiederum investiert jede freie Minute für die Obdachlosen.
Der Wunsch nach noch mehr Unterstützung ist da: „Wir wünschen uns mehr Wohnungen für Obdachlose“, sagt Nora Picka-Pamperin. Auf Unverständnis stößt bei ihr daher, dass in der Hansestadt stattdessen größere Luxushotels gebaut werden sollen.
Ob die Bergedorfer Engel mit ihrem Einsatz mit dem Bürgerpreis ausgezeichnet werden, wird am 17. Mai gelüftet. Der mit 4000 Euro dotierte Preis ist von der Volksbank Bergedorf und der Bergedorfer Zeitung ausgelobt.