Bergedorf. Dr. Haselmayer Der Unverbesserliche – Lichtwark-Serie (2)

. Bis heute schockiert es, wie sehr die junge Bundesrepublik der 50er- und 60er-Jahre von alten Nazi-Strukturen durchsetzt war. Auch mitten in Bergedorf überdeckte biedere Bürgerlichkeit in mancher Villa die NS-Gesinnung des Hausherrn. Ein markantes Beispiel dafür ist der Arzt und Geburtshelfer Dr. Heinrich Haselmayer (1906-1978), der seit 1938 eine Praxis in seinem Anwesen an der Chrysanderstraße/Ecke Augustastraße betrieb.

Im neuen Lichtwarkheft (88 Seiten; 8 Euro) des Kultur- & Geschichtskontors zeichnet Autor Dr. Hans Peter de Lorent das perfide Wirken des überzeugten Anhängers der NS-Rassenlehre nach, das mit dem Untergang des Dritten Reichs längst nicht beendet war. So geriet Haselmayer im Januar 1953 in die Schlagzeilen, weil er aktiv versuchte, mit alten Seilschaften die Politik in Deutschland zu unterlaufen. Zu seinen Mitstreitern gehörten keine geringeren als der ehemalige Hamburger Gau-leiter Karl Kaufmann und Hans Fritzsche, einst Starkommentator des NS Rundfunks.

Ein Vierteljahrhundert zuvor hatte Heinrich Haselmayer zu den Nazis der ersten Stunde gehört. Schon 1927 war der gebürtige Würzburger Mitbegründer des NS-Studentenbundes, trat im selben Jahr der SA bei, zwei Jahre später der SS. Mehrfach legte er sich der angehende Arzt schon vor Hitlers Machtergreifung mit den Institutionen der Unis an und riskierte durch offene Agitation gegen „die jüdische Weltpest“ und für „Rassenhygiene“ Verweise vom Studium.

Dieser Einsatz sorgte für beste Verbindungen in NS-Kreisen und ab 1933 für eine steile Karriere. So wurde der 1932 promovierte Dr. Haselmayer unter anderem Leiter der Hamburger Volkshochschule und „Landesleiter des Kampfbundes für Deutsche Kultur“, der sich für die Reinerhaltung der germanischen Rasse auf deutschem Boden einsetzte. Doch der rasante Aufstieg sollte nach nur drei Jahren an Haselmayers unbedingtem Machtstreben, vor allem an seinem Alkoholkonsum scheitern. Als er 1936 auf Einladung der NSDAP-Auslandsorganisation in Holland völlig betrunken vor fast 300 Zuhörern sprach, wurde er von allen Ämtern suspendiert.

Den ganz tiefen Fall verhinderten seine guten Kontakte zu Gauleiter Kaufmann, sodass Haselmayer auf den Posten eines Schularztes kam. Parallel ließ er sich 1938 als praktischer Arzt in Bergedorf nieder.

Nach dem Krieg konnte er seine gekappte Polit-Karriere nutzen, um durch die Entnazifizierungskommission der britischen Militärregierung von jeglicher Beteiligung an oder Kenntnis von NS-Verbrechen freigesprochen zu werden. Schon im Mai 1948 feierte er die Wiedereröffnung der Praxis an der Chrysanderstraße.

Die engen Kontakte zu den alten Nazi-Kreisen pflegte Heinrich Haselmayer aber heimlich weiter. Es wurden Pläne zur „Wiederergreifung der Macht“ geschmiedet. Unter anderem zusammen mit Göbbels einstigem Propaganda-Staatssekretär Werner Naumann sollte die FDP in Nordrhein-Westfalen unterlaufen werden.

In der Nacht auf den 15. Januar 1953 rückte die Polizei mit einem Großaufgebot in Haselmayers Villa an der Chrysanderstraße an. Der Hausherr wurde verhaftet und das ganze Anwesen auf den Kopf gestellt. Parallel klickten Handschellen im ganzen Bundesgebiet. Der „Naumann-Kreis“ war zerschlagen.

Doch schon im Sommer stellte der Bundesgerichtshof das Verfahren ein, weil er das Beweismaterial für zu gering hielt. Die Verhafteten waren schon zuvor auf freien Fuß gekommen. Dr. Haselmayer kehrte nach Bergedorf zurück und praktizierte bis zu seinem Ruhestand in den 60er-Jahren als unbescholtener Arzt.
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