Bergedorf. Bergedorf. NS-belastete Straßennamen: Kommission empfiehlt Umbenennung von Kurt-A.-Körber-Chaussee und Schorrhöhe.
Muss die Kurt-A.-Körber-Chaussee wieder umbenannt werden? Stand der als Unternehmer, Mäzen und „Anstifter“ hochgeachtete Körber dem Regime der Nationalsozialisten zu nahe? Eine vom Hauptausschuss der Bezirksversammlung eingesetzte Experten-Kommission empfiehlt die Umbenennung. Sie hatte den Hintergrund von zehn Namensgebern für Straßen im Bezirk durchleuchtet.
Die Fachkommission nahm die bisherigen Recherchen der Landeszentrale für politische Bildung kritisch unter die Lupe, bewertete dabei die Zugehörigkeit zur NSDAP und den persönlichen Grad der Beteiligung am NS-Regime neu. Auch im Falle von Körber: Während des Zweiten Weltkriegs soll er als Prokurist des Dresdner Universelle-Werks den Einsatz von KZ-Häftlingen am Standort „moralisch mitverantwortet“ haben, schreibt Kommissionsmitglied Alyn Beßmann, Archivarin der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Weiter heißt es: „Da Körber als leitender Angestellter am Aufbau des Werkes der Universelle beteiligt war, muss er vom Einsatz der KZ-Häftlinge gewusst, diesen entweder mit vorangetrieben oder zumindest billigend in Kauf genommen haben.“
Eine „übertriebene“ Diskussion
Die Körber-Stiftung weist die Forderung nach einer Straßenumbenennung zurück. Konzernsprecher Martin Meister verweist auf mehrere Publikationen zu Körbers Vergangenheit, unter anderem von der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte. Darin heißt es, dass Körber „dem NS-Regime keineswegs fern gestanden habe“, bisweilen „von dessen expansiver Dynamik als junger Unternehmer fasziniert“ gewesen sein soll. Körber habe sich durchaus opportunistisch verhalten, es gebe jedoch keine Quellen, die ihm ein „Mitmachen“ vorwerfen, so Meister.
Horst Rödinger, langjähriger Wegbegleiter und ehemaliger Leiter des von Körber initiierten Bergedorfer Gesprächskreises, hält die aktuelle Diskussion für „übertrieben und falsch – da gibt es Probleme, die viel gravierender sind“.
Straße wurde 1998 umbenannt
Bis zum 7. September 1998 hieß die heutige Kurt-A.-Körber-Chaussee noch Kampchaussee und wurde dann auf Initiative der dort ansässigen Körber-Firmen und der Körber-Stiftung umbenannt. Dies sorgte für Proteste von Anwohnern und ansässigen Firmen. Schon damals wurde mangelnde historischer Forschung zu Körbers Rolle während der NS-Zeit angemahnt.
Bei der Schorrhöhe (nach dem Astronomen Richard Reinhard Emil Schorr) hält die Kommission eine Umbenennung für zwingend erforderlich, anders bei den acht weiteren Straßennamen.
Fünfköpfige Expertenkommission
Mit der Prüfung haben sich die Neuengammer Archivarin Alyn Beßmann, Prof. Dr. Torkhild Hinrichsen (Beirat der Bergedorfer Museumslandschaft), Bernd Reinert (Kulturstaatsrat a.D., Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg), Dr. Geerd Dahms (Vorsitzender des Vereins „Geschichtswerkstätten Hamburg“), sowie Christian Römmer (Leiter Kultur- & Geschichtskontor Bergedorf) Zeit gelassen. Am Montag überreichten sie ihre Stellungnahme zu „NS-belasteten Straßennamen im Bezirk Bergedorf“ der Verwaltung.
Während die Kommission für die Kurt-A.-Körber-Chaussee eine Umbenennung empfiehlt, sieht sie diese für die Schorrhöhe als „erforderlich“ an. Für Ameisweg und Benselweg (nach den Architekten Otto Ameis und Carl Bensel) rät die Kommission Änderungen an, sieht diese aber nicht als „zwingend erforderlich“ an. Keine Probleme hat sie dagegen mit Hermann-Distel-Straße, Elingius-Platz, Ernst-Finder-Weg, Hans-Förster-Bogen, Klophausring sowie Puritzweg.
Landeszentrale ohne Akribie
Die Fachleute stellten die Recherchen der Hamburger Landeszentrale für politische Bildung auf den Prüfstand: „Von uns gibt es deutliche Kritik an der Art und Weise, wie einzelne Biografien entstanden sind. Wir hätten uns mehr Akribie von der Landeszentrale gewünscht“ formuliert Geerd Dahms.
Archivarin Beßmann, die neben der Stellungnahme zu Körber auch den Bericht zur Schorrhöhe verfasste, sieht beim Astronomen und ehemaligen Direktor der Bergedorfer Sternwarte keinerlei Spielraum. Prof. Dr. Richard Schorr (1867-1951) habe „sich bewusst entschieden, seinen Kampf mit Hilfe der Gestapo gegen Astrologen zu führen“. Diese habe er auch als „Volksschädlinge“ bezeichnete. Obgleich Unklarheit darüber herrscht, ob ihm das volle Ausmaß des Nazi-Terrors mit Folter und Mord bewusst war, „befürwortete Schorr die NS-Verfolgung von Astrologen und wirkte aktiv an ihr mit“, so der Bericht.
Proteste bei Umbenennung erwartet
Werner Omniczynski, Vorsitzender der Bezirksversammlung, glaubt in Sachen Schorrhöhe an wenig Widerstand: „Auf der Sternwarte wohnt ja keiner.“ Komplizierter dürfte es bei Körber werden: „Da haben wir viel zu debattieren. Vor allem, weil wir die Chaussee vor nicht mal 20 Jahren unter viel Protest umbenannt haben.“ Bezirksamtschef Arne Dornquast schwant, „dass dieselben, die sich damals zu Wort gemeldet haben, dies wieder tun werden“.
Der Bericht wird am Donnerstag, 16. März, den Mitgliedern des Bergedorfer Hauptausschusses vorgelegt.