Bergedorf-West. Bergedorf-West. Die Arbeitsgemeinschaft Bergedorf-West wird 40. Der Vorsitzende Werner Kleint zieht eine ernüchternde Bilanz für das Quartier.
Das Hoffen und Harren hält manchen zum Narren: „Das ist frustrierend, es ist absoluter Stillstand im Stadtteil“, sagt Werner Kleint. Dabei sollte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bergedorf-West eigentlich frohlocken, so kurz vor der 40. Geburtstagsfeier der Arge am 2. April. Sie wurde 1977 für die soziale Stadtteilarbeit gegründet, als das Quartier noch jung und frisch war. Heute ist vieles alt und rott. Doch immerhin 21 Teilnehmer zählt die Arge noch – die meisten seien jedoch „Schläfer“.
Verrat an einem Verein
Warum die DLRG als einstiges Gründungsmitglied ausgetreten ist, weiß heute niemand mehr genau. Der einst berühmte „Tauschring“ hat sich aufgelöst. Auch die „Spieliothek“ am Oberen Landweg 10 ist verschwunden, weil die Stadt den Mietvertrag gekündigt hat. Bis heute ist dort nichts anderes passiert. „Das war ein Verrat an einem 40-jährigen Verein“, ärgert sich Kleint. Was geht als nächstes über den Deister? Dem türkischen Kulturverein AKD hat er schon mal angeboten, dass er im P 5 unterkommen kann, falls die Stadt ihm kurzfristig kündigt.
Alles entwickelt sich zurück
Überhaupt: Es passiert zu wenig. Umso heißer brodelt die Gerüchteküche. Der neue Aldi werde nicht fertig, weil der Bauunternehmer pleite sein soll. Und angeblich will Budnikowsky auf die alte Aldi-Fläche. „Was ist dann mit unserem Einkaufszentrum? Dann kann da vielleicht ein Billig-Textiler wie Kik rein“, überlegt Kleint – und schaut wenig optimistisch: „Der Wochenmarkt entwickelt sich zurück, weil der russische Mix-Markt viel billiger ist. Da geht es gar nicht allein um die Parkplätze auf der jetzigen Flüchtlingsfläche.“ Mit den Flüchtlingen habe die Arge viel unternommen, etwa einen Ausflug per Schiff und ins Miniatur-Wunderland. Auch gab die Buhck-Stiftung Geld für Schulranzen. „Der Bezirksamtsleiter hat immer gesagt, er würde uns bei der Integrationshilfe unterstützen.“ Doch bis heute habe man kein Geld vom Bezirk gesehen.
Stadtteilkonferenz vor dem Aus
Wer hält noch Wort? „Zur Stadtteilkonferenz kommen nur noch wenige, die Parteien fehlen chronisch. Das Treffen wird wohl bald zu Grabe getragen“, warnt Kleint, der auch hier Vorsitzender ist – und überhaupt vieles in Personalunion entscheidet: Schließlich spricht er auch für 300 Mitglieder des Angelvereins und für die CDU. „Ich fühle mich alleingelassen, wir müssen mehr wahrgenommen werden“, klagt der 66-Jährige, der einst als Schifffahrtskaufmann in der Welt unterwegs war.
SV Bergedorf-West von jeher Multikulti
1969 zog er nach Nettelnburg. Zwei Jahre später wurde der SV Bergedorf-West gegründet, der heute bloß noch eine Jugendmannschaft hat. „Damals gab es kaum Spieler mit der selben Nationalität, wir waren hier von Anfang an multikulti“, erinnert sich Kleint an die Zeiten, als die Mitgliedsbeiträge noch in einer alten Zigarrenkiste gesammelt wurden. Das war montags abends, als der P 5 noch gerammelt voll war, alle an der Theke saßen. „Vorher hatten wir alle Holzreste verbaut und die Pavillons gemütlich hergerichtet.“
„Westibül“-Umzug geplatzt
Dennoch blieb es nicht bei Friede-Freude-Eierkuchen: „Dann kam der furchtbare Knatsch wegen dem Westibül. Viele wollten keine zwei Treffs im Stadtteil haben, das gab Riesen-Stress“, erzählt Werner Kleint. Heute kämpfen alle „Westler“ um den Erhalt des 1993 eröffneten „Westibül“. Der frühere Seniorentreff hätte an einen erweiterten P 5 umziehen sollen. Doch die Pläne wurden auf Eis gelegt, weil Hamburg zu viel Geld für das Grundstück will.
Kleiderkammer nur noch dieses Jahr
„Das ist alles eine ewige Hängepartie. Und ich kann die Scheißhausparolen nicht mehr hören“, klagt Werner Kleint. Warum bitte gibt es keine klaren Aussagen? „Man wird uns den Stuhl unterm Hintern wegreißen. Nach meiner Spekulation will die Stadt das Gelände hier schleifen und Wohnungen bauen“, mutmaßt der Arge-Vorsitzende mit Blick auf die benachbarte Kleiderkammer, die nur noch 2017 Bestand haben soll. Das Theater-Westibül mag gleich gar nicht länger auf eine Entscheidung warten: „Die proben demnächst in der Stadtteilschule“, weiß Kleint.
„Westibül“ statt Christopherus-Kirche?
Wohin aber mit dem „Westibül“, wenn dem Bezirk die Miete zu hoch wird? „Wenn die Christophorus-Kirche entweiht würde, könnten wir ja da einziehen“, überlegt Kleint. Aber eine sichere Perspektive für Bergedorf-West sei dies nicht. Dann sagt er diesen traurigen Satz: „Wir sind der vergessene Stadtteil."
„Wir brauchen nur ein wenig Facelifting“
Und doch wird es beim „Fest im West“ im Spätsommer wieder geräucherte Forellen geben. Wird wieder der inzwischen 40 Jahre alte Nagel-Balken aufgestellt. Wird die Arge wieder um neue Leute werben, denn „mit 70 lasse ich mich für keinen Vereinsposten mehr wählen“, stellt der 66-Jährige klar. Gesucht sind Leute, die sich mit Elan engagieren. „Welche, die für 300 000 Euro einen Anbau an den P 5 wagen, samt Café und Küche und ein bisschen Sanitär“, sagt Kleint. Zehn Prozent könne die Arge sogar selbst stemmen. Dann klingt er wieder voller Hoffnung: „Das könnten wir schaffen. Wir brauchen nur ein wenig Facelifting.“