Bergedorf . Bille-Bad Das Neue Lichtwark-Heft blickt zurück / Serie, 1. Teil
Die Entwicklung von Körperkult und Hygienebewusstsein der Bergedorfer lässt sich an keinem Ort so gut verfolgen wie am Ufer der Bille gleich oberhalb der Brücke der Ernst-Mantius-Straße: Seit mindestens 130 Jahren liegt dort die einstige städtische Badeanstalt, heute das Bille-Bad.
„Dampfdusche 1,50 Mark“, hat Antje Einicke ihren Beitrag im neuen Lichtwark-Heft (96 Seiten; 7,50 Euro; in allen Bergedorfer Buchhandlungen) des Kultur- & Geschichtskontors überschrieben. Wir stellen das Heft in einer vierteiligen Serie vor. Der Titel nimmt Bezug auf das, was die frühen Badeanstalten wirklich waren: Orte der Körperhygiene, wo je nach Geldbeutel ein- oder zweimal pro Woche ein heißes Bad genommen wurde. Denn gewöhnliche Wohnungen hatten noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg selten eigene Badezimmer, geschweige denn fließend warmes Wasser.
Auch das Bille-Bad selbst brauchte bis 1929, bevor es von einem Flussbad mit kleinem Sandstreifen und einigen Umkleidekabinen zur „Kur- und Warmbadeanstalt“ aufstieg. Nun endlich bot es warme Duschen für Kinder und Erwachsene sowie eine Wäscherei mit Mangel- und Trockenraum im Erdgeschoss. Wer baden wollte, fand im Obergeschoss einzelne Kabinen, die, natürlich nach Herren und Damen getrennt, vom zahlreichen Wärterpersonal sauber gehalten wurden.
Alles zusammen galt für das damals noch eigenständige Bergedorf als großer Schritt in den Kreis moderner Städte. Der ganze Stolz war das integrierte „Kurbad“, in dem es diverse Vorrichtungen für Therapien gab. Darunter fanden sich Moor- und Massagebäder, Römische und sogar Radiumbäder, deren leicht radioaktiver Strahlung damals heilende Wirkung zugesprochen wurde. Das Herzstück dieser ersten „Badeanstalt“ steht noch heute – als monumentaler roter Backsteinbau mit Anwaltskanzleien und Arzt-Praxen an der Ecke Reetwerder/Ernst-Mantius-Straße.
Schon 1927 war gleich oberhalb die Bille zur modernen Flussbadeanstalt großzügig bis fast an den Bahndamm verbreitert worden. Zu diesem Komplex gehörten seinerzeit ein breiter Sandstrand, zahllose Umkleidekabinen, die 100 Meter lange Schwimmbahn, der Fünf-Meter-Sprungturm und das bis heute erhaltene Bootshaus am Schillerufer.
Doch die Pflege des Areals war aufwendig, sorgte die durchströmende Bille doch für eine stetige Verschlickung. Das führte 1949/50 sogar zur vorübergehenden Schließung. Es folgten erhebliche Umbauarbeiten, die das Freibad vom Fluss trennten. In den Jahrzehnten des Wirtschaftswunders eroberte dann Bergedorfs Jugend das Bille-Bad für sich. Kaum ein Sommertag verging, an dem die riesige Liegewiese nicht voller Menschen war.
In den 60er-Jahren wurden Teile des alten Kurbades abgerissen, um Platz für Bergedorfs erstes Hallenbad zu schaffen. 1965 eingeweiht, galt es als zeitgemäße Ergänzung des weiterhin sehr beliebten Freibades. Ein Nebeneinander, das bis 2003 Bestand hatte. Dann folgte der Abriss für den 2005 eingeweihten Neubau des heutigen Bades, das mit nur noch ein Drittel der alten Fläche auskommen muss.
2. Teil: Gebr. Glunz wird 90