Bergedorf. Wirtschaftsförderung „Wer expandiert, geht in die Außenbezirke“
Im 30. Jahr ihres Bestehens kassiert die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) einen Rüffel. Denn die FDP ist mit den Zahlen nicht zufrieden. Demnach gab es 2014 bloß 61 Neuansiedlungen, davon 50 aus dem Ausland. „Eine derart schwache Wirtschaftsförderung ist ein Armutszeugnis für Hamburg“, ließ sich Michael Kruse bei NDR 90,3 zitieren. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP hatte durch eine kleine Senatsanfrage erfahren, dass ausgerechnet der Bezirk Bergedorf das Schlusslicht der HWF-Statistik bildet. Hier gab es vergangenes Jahr keine einzige Neuansiedlung.
Aber der Blick muss geschärft werden, denn gerade kleinere Unternehmen kontaktieren nicht die HWF, sondern treten direkt an den Bergedorfer Wirtschaftsförderer Till Bode heran: „Seit Oktober 2014 dürfen wir selbst die Gewerbeflächen im Bezirk vergeben. Und seither haben wir schon fünf Dispositionen vergeben, also die exklusiven Rechte zum Erwerb von Grundstücken.“ Allerdings würden zusammen höchstens 15 neue Arbeitsplätze geschaffen. Denn es seien vor allem Handwerksbetriebe, die sich erweitern möchten, Flächen zwischen 1000 und 2000 Quadratmetern suchen. Zudem habe sich ein Technologiebetrieb an der Randersweide vergrößert. Und, so Bode, gebe es derzeit drei Anfragen für die Gewerbeflächen an der Mette-Harden-Straße, „wo ebenfalls Handwerker, aber auch eine Eventfirma Interesse zeigen.“
Während Bode von einer „normalen Konjunkturlage“ spricht, sieht HWF-Sprecher Andreas Köpke in 2015 „kein gutes Jahr, zumal wir kurz hintereinander zwei Geschäftsführer verloren haben“. Wohl aber hätten sich kleinere Büros internationaler Firmen in Hamburg-Mitte oder Nord angesiedelt: „Die wollen ja nicht nach Bergedorf und 45 Minuten zum Flughafen fahren.“
Bei solchen Worten bleibt Bergedorfs Wirtschaftsförderer gelassen: „Das sind kleine Gründer. Sobald die expandieren, gehen sie in die Außenbezirke, das ist der klassische Werdegang.“
Anders sehe es bei der Technologieentwicklung aus, sind sich Bode und Köpke einig. Beide setzen Hoffnung auf den Bergedorfer Energie-Campus: „Windenergie wird ab nächstem Jahr das große Thema am Schleusengraben sein. Schon jetzt klopfen internationale Windkraftfirmen an, etwa aus Dänemark und Schweden“, sagt Kröpke: „Die werden einen Impuls für Bergedorf setzen.“
Nicht zuletzt haben die Wirtschaftsförderer noch andere Gedankenspiele: Während die HWF glaubt, „dass vielleicht die Körber AG einige Gewerbeflächen vermarkten wird“, setzt Till Bode auf die Tellerschnecke. Das Tierchen fühlte sich, wie berichtet, östlich des Curslacker Neuen Deichs entlang der Autobahn wohl, wurde aber in Gräben der Vier- und Marschlande umgesiedelt. Das Monitoring läuft noch bis 2016, um zu beobachten, ob die Schnecke dort überlebt und sich fortpflanzt.
„Und dann werden wir wissen, ob wir weiter umsiedeln oder um die Tellerschnecke drumherum bauen müssen“, sagt Till Bode. Er hofft auf eine Erweiterungsfläche für den Energie-Campus, denn der Bezirk setzt auf „Life Science“. Der Senat beharrt bislang darauf, an selber Stelle einen Logistikpark zu gründen.
Die Flächennutzung in Hamburg fächert sich so auf: Zu 38 Prozent sind es Gebäude- und Freiflächen, 8 Prozent dienen der Erholung, 12 Prozent zählen als Verkehrsfläche. Hinzu kommen Wald (7%), Wasser (8%) sowie die landwirtschaftlich genutzte Fläche (inklusive der Deiche) mit 25 Prozent.
Ohne das Hafengebiet (6347 Hektar) bietet die Hansestadt eine planrechtlich gesicherte Industrie- und Gewerbefläche von 3043 Hektar – das sind etwa 4 Prozent der Gesamtfläche der Stadt. Davon entfallen 355 Hektar auf Bergedorf, das entspricht 2,3 Prozent der Bezirksfläche. Mit den B-Plänen „Bergedorf 99“ und „Curslack 18“ bietet der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) südlich vom Brookdeich derzeit 20 Hektar als gewerbliche Baufläche an.
Zu den städtischen Gewerbe- und Handwerkerhöfen zählen das Künstlerhaus am Möörkenweg und die „Zirkuswiese“ mit 11 Betrieben am Billwerder Billdeich. Laut Statistik der Hamburger Wirtschaftsförderung gab es seit 2011 von Handwerksbetrieben lediglich 73 Flächen-Anfragen, 22 davon seien „erfolgreich angesiedelt“ worden.