Hamburg. Mit großem Sortiment, Internetblogs und traditionellen Artikeln profilieren sich Spielwarenhändler in einer schrumpfenden Branche.

Seit dem Einstieg in das Geschäft mit Spielwaren hat Nils Hartfelder seine Verkaufsfläche in Hamburg mehr als verzwanzigfacht. Das ist bemerkenswert in einer Branche, der das Internet, große Spielzeugketten und Branchenfremde wie Rossmann oder Supermärkte stark zusetzen. Doch der studierte Betriebswirtschaftler lässt sich davon nicht beirren. Mit 70 Quadratmetern hat er einst im Tibarg-Center in Niendorf angefangen. Inzwischen verkaufen seine Mitarbeiter allein dort nach der zweiten Erweiterung auf einer Fläche von 450 Quadratmetern. „Wir haben immer gemerkt, dass unsere Erwartungen schon kurz nach der Eröffnung übertroffen wurden, wir noch mehr Fläche gebrauchen konnten“, sagt seine Frau Julia Hartfelder.

900 Quadratmetern Fläche setzt neue Maßstäbe

Deshalb sprengt die neue Filiale die bisherigen Maßstäbe der Hartfelder-Geschäfte. In Bergedorf, dem kinderreichsten Bezirk Hamburgs, haben die Hartfelders kürzlich die dritte Filiale mit 900 Quadratmetern auf drei Etagen eröffnet. Gelegen in bester Lage zwischen dem City-Center Bergedorf (CCB) und der Einkaufsstraße Sachsentor. Das neue Haus ist das größte inhabergeführte Spielzeuggeschäft in Hamburg. Zwar verlässt Hartfelder damit sein bisheriges Konzept, sich nur in Einkaufszentren niederzulassen. „Aber dort hätten wir eine Fläche dieser Größenordnung nicht bekommen“, sagt Nils Hartfelder, der mit dem neuen Geschäft seine dritte Filiale betreibt. Im CCB sitzt mit BR-Spielwaren die Konkurrenz, die auf wesentlich kleinerer Fläche mit Rabatten wirbt. Hartfelder hält mit 100.000 Artikeln – viermal so viel wie im Durchschnitt – und fachkundiger Beratung dagegen.

Neben dem Tibarg-Center wird noch eine weitere Filiale im AEZ betrieben, die inzwischen auch vergrößert wurde. Insgesamt haben die Filialen eine Fläche von 1540 Quadratmetern. Rechnet man noch das Geschäft von Vater Klaus-Dieter Hartfelder in Bramfeld hinzu, das eigenständig von ihm geführt wird, gibt es viermal Hartfelder Spielwaren in der Hansestadt.

Expansion gegen den Trend, denn insgesamt schrumpft die Zahl der Händler – obwohl der Umsatz von Jahr zu Jahr steigt. Für das vergangene Jahr zeichnet sich auf dem deutschen Spielwarenmarkt sogar ein Plus von fünf Prozent auf 2,8 Milliarden Euro ab. „Denn zum Jahresende zeigten sich die Deutschen in bester Kauflaune“, sagt Willy Fischel, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). Inzwischen hat sich auch Ostern zu einem zweiten Weihnachten entwickelt. Nur hält das Verkaufshoch nicht so lange an wie in der Vorweihnachtszeit. „Die Preislagen für Spielzeugpräsente liegen dabei zwischen zehn und 40 Euro“, sagt Fischel.

Die Hartfelders haben ihr neues Geschäft kurz vor Ostern eröffnet. Riesige Stofftiere begrüßen die kleinen Kunden im Erdgeschoss. Hier sind die Spielsachen bis drei Jahre und die Saisonartikel platziert. Unter der Treppe gibt es ein kleines Versteck mit Tür, das bei den Kindern gut ankommt. „Jetzt läuft alles gut, was für draußen ist“, sagt Julia Hartfelder. Das reicht vom neuen Sandspielzeug bis zum Traktor, mit dem die Kinder selbst fahren können. Im Untergeschoss gibt es Bastelbedarf, Schreibwaren und auch Ranzen sowie eine riesige Auswahl an Gesellschaftsspielen und Experimentierkästen. Letzteres ist ein neues Wachstumsfeld. Ob Windrad, Roboter aus der Blechdose oder Solarschiff: Was der Bildung der Jüngsten dient, wird von den Käufern gedanklich eher unter Schulmaterial als Spielzeug verbucht. Eltern und Großeltern sind bei solchen Artikeln noch einmal freigiebiger.

In der ersten Etage verkaufen die insgesamt sechs Mitarbeiterinnen der Filiale das Spielzeug für die größeren Kinder. „Wir wollten es wirklich groß, um das gesamte Sortiment von Marken wie Lego Brio oder Götz-Puppen präsentieren zu können und nicht nur die fünf Artikel, die am besten laufen“, sagt Nils Hartfelder. „Schon in den ersten Tagen hat sich gezeigt, wie gut das ankommt“, fügt seine Frau hinzu.

Aber es geht auch viel kleiner, wenn man sich bewusst beschränkt. Spielzeug Lienau am Eppendorfer Baum verzichtet auf Lego und Playmobil. Schließlich ist das 1926 gegründete Fachgeschäft nur 100 Quadratmeter groß. „Wir legen bei der Auswahl der Produkte viel wert auf das Design“, sagt Sybille Lienau, die das Geschäft gemeinsam mit ihrem Mann führt. Zu den bevorzugten Herstellern gehören Brio und Haba mit ihrem Holzspielzeug, Käthe Kruse, Steiff und Sigikid. „Wir haben uns bewusst für ein anspruchsvolles Sortiment entschieden, und das kommt hier am Standort mit vielen jungen Familien auch gut an“, sagt Lienau. Als zweites Standbein haben die Lienaus noch den Drachenladen Wolkenstürmer. Da gibt es zwar auch Kinderdrachen, aber mehr das Equipment für den Kitesport.

Zunehmend wird Spielzeug im Internet gesucht und auch gekauft. Letzteres machen bereits 28 Prozent der Kunden, geht aus den Zahlen des BVS hervor. Das brachte Karen Hartmann, die den Majoli-Spielzeugladen in der Papenhuder Straße betreibt, auf eine Idee. Auf der Internetseite des Geschäfts betreibt sie auch eine Art Blog, in dem sie Monat für Monat neue Spielsachen vorstellt. „Das macht viel Aufwand, führt aber dazu, dass man leichter gefunden wird, weil es auf der Seite viele Suchbegriffe gibt, und zieht Kunden ins Geschäft“, sagt Hartmann. So berichtet sie über die neuen Knorxx-Bausteine, die aus Kork sind. Im Vergleich zu Holz sind sie leichter und machen beim Einstürzen des Bauwerks auch nicht so viel Krach.

Die richtige Auswahl der Spielsachen zu treffen ist wichtig, „denn jedes Jahr werden in der Branche 50 Prozent des Sortiments ausgetauscht“, sagt Hartmann. Sie setzt vor allem auf traditionelles Spielzeug und Qualität. „Es muss sicher und stabil sein“, sagt Hartmann. Mit vielen kleinen Ideen kann man zwar der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet begegnen, aber einfacher wird das Geschäft nicht, so ihr Fazit. Zwar stehe sie heute besser da als vor fünf Jahren, „aber das ist ein irrsinniger Arbeitsaufwand“.

Die Händler stehen vor großen Einschnitten. „Generell beobachten wir einen Trend zu Filialisierung und Spezialisierung aber auch zu größeren Flächen im Spielwaren-Fachhandel“, sagt Verbandsgeschäftsführer Fischel. Gerade in größeren Städten seien Händler in den Stadtteilen erfolgreich, wenn sie spezialisiert sind oder sich zum Beispiel auch als Nahversorger mit Papier-, Bastel und Schreibwaren sowie Postdienstleistungen breiter aufstellten. Denn wer sich nicht profiliert, dem droht der Untergang. Innerhalb von knapp zehn Jahren ist die Zahl der selbstständigen Fachhändler in den Spielwarenverbänden VEDES und idee+spiel um ein Drittel auf 1500 zurückgegangen. „Die Lage ist dramatisch für den stationären Spielwarenfachhandel“, sagt Jochen Martens, Geschäftsführer bei idee+spiel. Nach Abzug aller Kosten bleibt oft nur ein Unternehmerlohn von 30.000 bis 35.000 Euro jährlich. Davon müssen noch Steuern, Investitionen und eine Krankenversicherung bezahlt werden.

Hohe Kosten zwingen Spielzeughändler, immer größer zu werden

Hartfelder will durch Größe diesen Problemen entkommen und weiterwachsen: „Wir können zwar nicht jedes Jahr ein neues Geschäft eröffnen, haben aber Jahr für Jahr die Fläche erweitert“, sagt der Unternehmenschef. Seit 2012 hat sich der Umsatz verdreifacht. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von zehn auf jetzt 35. Inzwischen hat jedes Geschäft einen Filialleiter und einen Stellvertreter. Das beruhigt Hartfelders Frau Julia, die sich vor allem um die sieben Monate alte Tochter Milla kümmert. „Aber Verantwortung abzugeben muss man auch erst lernen“, sagt Julia Hartfelder, die nun die Firma besser aufgestellt sieht, falls ihrem Mann mal etwas passiert.

Der Handel im Internet bleibt für die Hartfelders eine Herausforderung. „Aber eine eigene Online-Präsenz aufzubauen ist so aufwendig wie eine zweite große Filiale“, sagt Nils Hartfelder. Sein Angebot lässt auch kaum Wünsche offen.