“Jugenderinnerungen“: Das Kultur- & Geschichtskontor lässt Friedrich Stoffert (1817-1910) zurückblicken
Schonungslos und manchmal auch mit reichlich Häme schaut Friedrich Stoffert auf seine Kindheit und Jugend in Bergedorf. Es ist die Zeit von 1820 bis 1850, die er in seinen "Jugenderinnerungen" beschreibt, die jetzt als 264-Seiten-Buch mit zahlreichen Federzeichnungen des Autors beim Kultur- & Geschichtskontor am Reetwerder 17 erscheinen (14,90 Euro; auch in allen Buchhandlungen).
"Ein tiefer Einblick in das Leben vor der Industrialisierung, als Bergedorf noch ein kleines Ackerbauerstädtchen war", sagt Kontorchef Christian Römmer, der das handschriftliche Original als Leihgabe aus dem Bergedorf-Museum für die Veröffentlichung penibel genau aufgearbeitet hat. Tatsächlich ist das Ergebnis ein Leckerbissen für jeden überzeugten Bergedorfer. So beschreibt Stoffert neben dem Schulalltag und den beschwerlichen Reisen nach Hamburg (sie Texte unten) etwa das Auftreten des energischen Ratmanns Carl Schlebusch (* 1851), der als Makler mit dem entstehenden Villengebiet Geschäfte machte. Oder auch die Marotten des Bürgermeisters Daniel Hinsche (* 1848), der sich der Förderung der Dichtkunst verschrieben hatte.
Während an diese honorigen Personen heute Straßennamen erinnern, kennt den Namen Fritz Butt niemand mehr. Doch das neue Buch wird das ändern, denn Stoffert hat dem unglücklichen Bergedorfer Schnapsbrenner eine plattdeutsche Kurzgeschichte gewidmet. Sie beschreibt, wie er, von seiner Mutter verstoßen, in deren Wohnung an der Alten Holstenstraße einbricht, um Geld zu klauen. Doch dabei stürzt er ab und ertrinkt jämmerlich im Wasser des Serrahn.
Zum Schmunzeln regen dagegen Stofferts Beschreibungen der Vierländer Bauern an, die zu jedem Behördengang in Bergedorf Würste, Schinken oder frisch geschlachtete Tiere mitbrachten. Schließlich wollten die hochlöblichen Beamten bestochen werden.
Wenig zimperlich ging die Polizisten laut Stoffert mit Bettlern um. Kamen sie in die Stadt, wurden sie von den Ordnungshütern verprügelt, für einen Tag eingesperrt und dann noch einmal verprügelt, damit sie nie wiederkommen. "Und wir haben die armen Gestalten dann noch mit Steinen beworfen", schreibt Friedrich Stoffert selbstkritisch.
Seine Jugenderinnerungen hat der Kaufmann erst im Seniorenalter verfasst, als er von Bergedorf bereits nach Berlin umgezogen war. Entsprechend reflektiert sind seine Jugenderinnerungen, die das Kontor jetzt unter dem Titel "Bergedorf - 'ein gemüthliches Städtchen'?" veröffentlicht.
Für Freitag, 19 Uhr, lädt das Geschichtskontor zur Vernissage der Ausstellung der Bilder, Zeichnungen und Original-Werke Friedrich Stofferts (* 1910) in seine Räume an den Reetwerder 17 ein. Ehrengast ist dessen Urenkel Prof. Dr. Gerhard Stoffert aus Hannover. Auch das Buch wird zu haben sein, sogar als Sonderedition (19,90 Euro) zusätzlich mit dem Stoffert-Hörbuch "Bergedorfer Erinnerungen".