“Zornrot“: Beratungsstelle wird 20 Jahre alt - Traumatisierte Mädchen und Jungen finden hier Hilfe
Kasperlepuppen liegen auf einem Regal an der Wand. Bücher und Spielzeug schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Und doch fließen in diesem heimeligen Raum an der Vierlandenstraße 38 oft bittere Tränen: Hier in der Fachberatungsstelle des Vereins "Zornrot" finden Mädchen und Jungen Hilfe, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Die Beratungsstelle feiert nun ihren 20. Geburtstag: 1993 war sie vom gleichnamigen Verein gegründet worden. Dessen Mitarbeiter hatten damals fünf Jahre lang bei der Behörde kämpfen müssen, um finanzielle Unterstützung für die dringend benötigte Beratungsstelle zu erhalten.
"Es war die letzte Fachberatungsstelle dieser Art, die in Hamburg genehmigt wurde", sagt Birthe Roden (38), Erzieherin, systemische Beraterin, Traumapädagogin und einzige Vollzeitkraft bei "Zornrot". Doch seitdem hat sich der Bedarf alljährlich aufs Neue bestätigt: 585 "Beratungseinheiten" führt die Statistik allein für 2012 auf - gemeint sind damit ausführliche Telefonberatungen, persönliche Gespräche, E-Mail-Korresponzen oder Therapien. Kaum anders waren die Zahlen in den Jahren zuvor. "Nur zu Beginn musste natürlich erst ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden", sagt die langjährige Teilzeitmitarbeiterin Wiebke König. Sexuelle Gewalt gegen Kinder war in den 1980er-Jahren kaum ein Thema. Heute jedoch erlebt die Beratungsstelle bei jedem öffentlich gewordenen Missbrauchs-Skandal eine neue Welle an Anfragen.
Oft sind es Eltern, Lehrer, Erzieher, die sich in dem Büro an der Vierlandenstraße melden, weil sie einen Verdacht haben und ratlos sind. Die beiden "Zornrot"-Mitarbeiterinnen verfügen über ein gutes Netzwerk, können an andere Experten verweisen, bieten aber auch Kinder- und Jugendpsychotherapie im Hause an. Zudem gibt es zwei spendenfinanzierte Honorarkräfte für Musiktherapie und Prävention in Schulen.
"Missbrauch heißt aber nicht sofort Therapie", stellt Birthe Roden fest. "Oft habe ich Mütter hier sitzen, die völlig aufgelöst sind", sagt sie. Das Kind hingegen wirke vielleicht eher ruhig, habe das Geschehene verdrängt. Ein wichtiger Selbstschutz: Das Erlebte kehre meist erst zurück, wenn das Kind psychisch in der Lage sei, sich dem Trauma zu stellen. "Wir beruhigen deshalb erst mal die Eltern, raten ihnen, dem Kind wieder etwas Normalität und Stabilität zurückzugeben." Wichtig sei es natürlich auch, sicherzustellen, dass der Missbrauch aufhöre - denn noch immer geschieht ein Großteil dieser Fälle durch Menschen aus dem Umfeld des Kindes.
Seltener suchen Betroffene selbst Hilfe bei der Beratungsstelle - oft sind es dann Menschen, die dem Kinder- und Jugendalter längst entwachsen sind. Doch da die Beratungsstelle vom Amt für Jugend finanziert wird, ist sie eigentlich nur für Betroffene bis 27 Jahre zuständig. Da es keine Beratungsstelle für Erwachsene gibt, weist "Zornrot" diese Menschen nicht ab. Birthe Roden: "Doch wir vermitteln sie meist in eine ambulante Therapie."