Bergedorf/Geesthacht. Ostermontag feiert ein Meilenstein in der Geschichte von Bergedorf und Geesthacht Jubiläum: Am 1. April ist es 75 Jahre her, dass das “Reichsgesetz Groß-Hamburg“ in Kraft trat.
Ein Jahr zuvor beschlossen, schuf es den heutigen Zuschnitt der Hansestadt und sorgte im Großraum Bergedorf für grundlegende Veränderungen.
Vor allem wurde das zuvor holsteinische Lohbrügge dem Hamburger Gebiet und damit Bergedorf zugeschlagen, während Geesthacht, das 1924 Stadtrechte erhalten hatte und über 500 Jahre zum Amt Bergedorf gehörte, an Schleswig-Holstein ging. Doch der Gebietstausch war nur ein Aspekt des Gesetzes, das 1938 von den Nazis umgesetzt wurde. Der andere war ein Drama für Bergedorf: Der Stadt wurde ihre Eigenständigkeit genommen, die es kaum 70 Jahre zuvor erhalten hatte. Erst 1868 war die gemeinsame Herrschaft der Hansestädte Lübeck und Hamburg zu Ende gegangen, schufen Gewerbefreiheit und Zollanschluss sowie 1873 ein großes Maß an kommunaler Selbstverwaltung die Basis für ihre wirtschaftliche wie politische Blüte. 1938 verlor Bergedorf nun seine Stadtrechte wieder, wurde als Verwaltungseinheit in die Einheitsgemeinde Hamburg eingegliedert.
Es war ein Schicksal, das Bergedorf mit Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg teilte. Auch sie büßten Ostermontag vor 75 Jahren ihre Stadtrechte ein - und waren sogar der eigentliche Grund für das Gesetz. Denn schon seit Jahrzehnten machten jene drei selbstbewussten Nachbarstädte Hamburg spürbar Konkurrenz, wollten aber nicht Teil der Hansestadt werden. Unter dem Strich schadete das dem volkswirtschaftlichen Ertrag der ganzen Region, was nach dem Ersten Weltkrieg immer spürbarer wurde. Doch über "Denkschriften" zu einem einheitlichen Hamburger Gebiet kam man in der Weimarer Republik nicht hinaus. Erst die Diktatur der Nazis schuf die staatliche Macht, die mächtigen Städte zusammenzuzwingen.
Bergedorf, damals zwar eigenständig, aber schon Teil des Hamburger Landgebiets, wurde gleich mit einkassiert - während Geesthacht als eine der wenigen Kompensationen für das auf Kosten seiner Nachbarprovinzen zu fast doppelter Größe gewachsene Hamburg abgetreten wurde und damit eigenständig bleiben durfte.
Für Bergedorf stellt die neue Situation eine Zeitenwende dar. Plötzlich steuerte das Hamburger Rathaus seine Entwicklung, wurde es zu einem Bezirk an der Peripherie degradiert, der bestenfalls durch große Wohngebiete wie Lohbrügge-Nord noch auf sich aufmerksam machte. Das Selbstverständnis als Stadt in der Metropole Hamburg blieb nur in den Köpfen der Bürger lebendig.
Tatsächlich datieren wesentliche Bergedorfer Bauwerke auf die Zeit vor 1938 - nicht zuletzt, weil Bergedorf mit Wilhelm Krüger seit 1924 einen selbstbewussten eigenen Stadtbaumeister hatte. Unterstützt durch die SPD-Bürgermeister Wilhelm Wiesner und Friedrich Frank hatte Krüger freie Hand, dem Stadtbild eine besondere Note zu verleihen. So schuf er das Rathaus, das Bille-Bad, diverse Schulen und vor allem Großprojekte des Sozialen Wohnungsbaus. Krüger plante die landhausartigen Mehrfamilienhäuser auf dem Gojenberg, die Mietwohnhausbauten entlang der Holtenklinker Straße und die Siedlung rund um den Heinrich-Heine-Weg im Villengebiet.
Zudem setzte Krüger Akzente in der Stadtplanung. Er ließ die heutige Vierlandenstraße quer durch Bergedorfs Stadtkern treiben, hob mit dem Zuschütten des Blickgrabens die alte Stadtgrenze auf und plante sogar die erst in den 50er-Jahren gebaute Bergedorfer Straße. Auch der 1937 entstandene Bahnhof trägt seine Handschrift.
Was die Nazis mit dem Groß-Hamburg-Gesetz schufen, hatte auch nach dem Zweiten Weltkrieg Bestand. 1949 wurde aus der "Kreisverwaltung" schließlich der "Bezirk Bergedorf". Im Gegensatz zu Geesthacht, das bis heute eine selbstständige Stadt geblieben ist, beherbergt Bergedorfs Rathaus nur den verlängerten Arm der Hamburger Behörden. Bezirksamtsleiter Arne Dornquast trägt zwar im Volksmund noch immer den Titel "Bürgermeister", aber tatsächlich sind seine Befugnisse gegenüber denen seines Geesthachter Kollegen Dr. Volker Manow auf das Leiten seiner Verwaltung beschränkt.