Bergedorf. Jan de Weryha kann die Tränen noch immer nicht zurückhalten. “Ich höre ständig die verzweifelten Rufe der armen alten Menschen auf Polnisch: 'Ich erblinde! Ich sehe nichts mehr! Helft mir!' Und das heute hier in unserem Bergedorf.

Nicht weit weg vom längst vergangenen Nazi-Deutschland, das diesen Menschen das Trauma ihrer Kindheit und Jugend beschert hat", sagte der Künstler gestern in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Bergedorfer, der das Zwangsarbeiter-Mahnmal auf dem Kampdeich zwischen Schleusengraben und CCB-Fachmarktzentrum geschaffen hat und selbst gebürtiger Pole ist, macht sich nach der Pfefferspray-Attacke bei der Gedenkstunde zur Einweihung am Freitag schwere Vorwürfe: "Was habe ich getan? Ohne das Mahnmal hätten diese Menschen das nicht erleben müssen. Bisher fühlte ich mich sicher in Bergedorf. Aber jetzt sind in Sekunden Brücken eingerissen worden, deren Aufbau Jahrzehnte gebraucht hat."

Tatsächlich sitzt der Schock tief bei der 18 Gäste kleinen Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter und Angehöriger aus Polen, die auf Einladung des Senats für eine Woche in Hamburg war. Der Besuch der Gedenkfeier sollte der abschließende Höhepunkt sein. Stattdessen fanden sich sechs der Senioren im Bethesda Krankenhaus wieder. Darunter auch die seit ihrer Geburt 1941 bis Kriegsende in der "Bergedorfer Kinderbaracke" untergebrachte Teresa Krystyna Czoska (71). Ihre Rede über das Grauen als Kind einer im Nazi-Deutschland "verbotenen Beziehung" zwischen Zwangsarbeitern konnte sie nicht mehr halten.

"Der Vorfall hat natürlich die Abschiedsfeier im Billstedter Panorama-Hotel überschattet", sagt David Rojkowski (35) vom Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Projektleiter des Besuchs. "Die Gespräche, teils noch auf den Hotelzimmern fortgesetzt, gingen bis nach Mitternacht." Als die Gruppe am Sonnabend früh den Bus zur Heimreise bestieg, sei aber kein Groll gegen Deutschland gehegt worden. "Die Teilnehmer stellten ihre vielen ausgesprochen freundlichen Begegnungen und Erlebnisse über den Vorfall. Auch der Besuch von Bezirksamtsleiter Arne Dornquast, der noch auf der Abschiedsfeier das persönliche Gespräch mit jedem Einzelnen suchte, hat bewirkt, dass sie es als Anschlag eines verwirrten Einzeltäters sehen."

Dornquast hatte sich "zutiefst peinlich berührt" gezeigt: "Ich schäme mich für diesen Landsmann und kann nur hoffen, dass unsere polnischen Freunde das Erlebte verarbeitet werden. Ganz Bergedorf bittet unsere Gäste um Vergebung."

Deutlicher wird die Deutsch-Polnische Gesellschaft Hamburg in ihrer Stellungnahme: "Das Denkmal wird durch den Anschlag auf die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen zu einem doppelten Mahnmal: Erinnerung an Zwangsarbeit und Diktatur und aktuell gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit."