Bergedorf (upb). Dem Neuen gegenüber war er immer aufgeschlossen. Selbst im hohen Alter noch fuchste sich Jost Nolte in die Geheimnisse des Internets ein.
In seinem Blog "Randbemerkungen" kommentierte der bekannte Kultur-Journalist und Autor bis vor wenigen Wochen aktuelle Ereignisse wie den Wechsel an der FDP-Spitze, die Atomwende oder den Umgang Chinas mit seinem Künstler Ai Weiwei. Mit spitzer Feder, wie seine Leser Jost Nolte aus 57 Journalisten-Jahren kannten.
Mitte Mai verstummte die Stimme des 83-Jährigen aus dem Bergedorfer Villengebiet plötzlich: Jost Nolte war mit Sprach-, Seh- und Koordinationsproblemen ins Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift eingeliefert worden. Die Ärzte diagnostizierten eine fast verschlossene Halsschlagader. Bei der anschließenden Operation erlitt Nolte einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Der Bergedorfer starb vor wenigen Tagen in einer Reha-Klinik in der Nähe von Schwerin. Er hinterlässt Ehefrau Irmgard Nolte (83), drei Kinder und acht Enkel.
Jost Nolte gilt als einer der ganz Großen im Kulturjournalismus der Nachkriegszeit. Auch wenn er sich, hanseatisch zurückhaltend, nie ins Rampenlicht stellte. Er arbeitete seit 1957 als Redakteur bei der "Welt" und baute für das Blatt die "Welt der Literatur" auf. Sie war die erste Kulturbeilage einer deutschen Zeitung und gilt bis heute als Meilenstein. 1968 erhielt Nolte den Theodor-Wolff-Preis. Später wechselte er zur Wochenzeitung "Die Zeit", wurde danach unter anderem Kulturchef der Welle 90,3 des NDR - und arbeitete immer wieder als freier Autor. Sechs Bücher sind von ihm erschienen.
Sein journalistisches Handwerk lernte der gebürtige Kieler von 1954-57 bei der Bergedorfer Zeitung. Zuvor hatte er es am Thalia-Theater binnen sieben Jahren vom Regie-Assistenten zum Dramaturgen gebracht. "Aber das ewige Lesen von Manuskripten war mir nicht genug. Ich wollte die wirkliche Welt erleben", sagte er in einem Interview mit unserer Zeitung zu seinem 80. Geburtstag vor drei Jahren.
So heuerte er 1954 bei der Bergedorfer Zeitung an, schließlich wohnte Nolte schon seit Ende der 1940er-Jahre bei seiner Tante im Villengebiet. Es folgten drei Jahre in der "wirklichen Welt", als Gerichtsreporter, Jubiläums-Schreiber und natürlich Mann für Theater- und Filmkritiken.
Vermittelt wurde ihm der neue Job durch die guten Kontakte einer weiblichen Bekanntschaft aus dem Vorortszug Richtung Hamburger Hauptbahnhof - seiner späteren Ehefrau Irmgard, der Tochter des Bergedorfer Ford-Händlers Riege. Das Paar blieb dem Bezirk sein Leben lang treu. Auch die Trauerfeier für Jost Nolte wird hier sein: am kommenden Donnerstag, 7. Juli, um 13 Uhr in der Kapelle I des Bergedorfer Friedhofs.