1993 entstand die erste “Tafel“ in Berlin. Bereits 1994 zog Hamburg nach. Die Idee: Wer kein Geld für Essen hat, bekommt es umsonst. Damit das klappt, spenden Bürger Geld und Geschäfte überschüssiges Obst, Gemüse, Brot usw., das noch einwandfrei genießbar ist. Die Idee zog Kreise: Gab es 1994 bundesweit gerade vier Tafeln, sind es heute fast 800.
Am Anfang gab es „die Tafeln“ nur in wenigen Großstädten: Berlin, Hamburg, München. In Metropolen, in deren sozialen Brennpunkten sich die Armut ballt. Inzwischen haben sie sich über das gesamte Bundesgebiet ausgebreitet – von Düsseldorf bis Dresden, aber auch in eigentlich reichen Gegenden wie Sylt und Starnberg. Geholfen wird immer dort, wo es neben Armen auch genügend Gutsituierte mit Zeit und dem Willen zu ehrenamtlicher Hilfe gibt.
In Bergedorf arbeiten 150 freiwillige Helfer der Tafel seit 1998, unterstützt von der Kirchengemeinde, Hand in Hand. In Lauenburg sind 50 Frauen und Männer seit 2003 bei „ihrer“ Tafel aktiv, kurz darauf folgte die Schwarzenbeker Tafel 2004 unter dem Dach des DRK und Geesthacht..
Damit Bedürftige regelmäßig eine Tüte mit frischen Lebensmitteln bekommen können, fahren die Ehrenamtlichen bis nach Lübeck, Lüneburg und Reinbek, holen die Waren bei Supermärkten, Bäckereien und Lebensmittelproduzenten ab und verteilen sie – ohne Zwischenlagerung – noch am gleichen Tag. In den Schlangen vor den Ausgabestellen stehen Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende mit ihren Kindern, Niedrig-Verdiener und Rentner mit geringer Rente. Einer davon ist Dirk M., der sich sein Rentnerdasein so nicht vorgestellt hatte. Er wollte reisen, die Welt umsegeln. Er hatte einen guten Job, gute Aufstiegschancen. Dann wurde seine Mutter schwer krank. „Zehn Jahre habe ich sie zu Hause gepflegt“, sagt der heute 68jährige. Zurück im Job erkrankte er nach zwei Jahren selbst: Kaputte Knie, kaputter Rücken, poröse Knochen. Mit Mitte 40 berufsunfähig, lebt er seitdem von einer Mini-Erwerbslosen-Rente.
„Ich versuche trotzdem, eine positive Lebenseinstellung zu bewahren“, sagt er tapfer. Bei seinen Tafel-Besuchen freut er sich am meisten über frisches Obst und Gemüse.
Dem aktuellen Vorwurf von Caritas und Diakonie, die Tafelbewegung trage zum Rückzug des Staates aus der Daseinsvorsorge bei, kann die Chefin der Bergedorfer Tafel, Sigrid Meincke, nicht folgen: „Wir verteilen keine Almosen, sondern Überproduktionen. Lebensmittel, die sonst in den Müll wandern würden. 20% aller Lebensmittel in Deutschland werden täglich weggeworfen.“