Der Bau eines Bergedorfer Logistikparks verzögert sich um drei Jahre. Der Grund: Das “Weichtier des Jahres 2011“ soll umgesiedelt werden.
Hamburg. Die Zierliche Tellerschnecke, die in Bergedorf ein bisher verstecktes Dasein führte, tut das, was zuvor schon Wachtelkönig, Fledermaus und Uferschnepfe erreicht haben: Sie bremst ein Großprojekt aus. Das fünf Millimeter kleine Tierchen verzögert den Bau eines 100 Millionen Euro teuren Logistikparks an der Autobahn 25 um mindestens drei Jahre.
Mehr noch: Die im Bergedorfer Amt nur "ZTS" genannte Schnecke wird dort zur Geheimsache, denn der Bezirk hält das Ergebnis eines Gutachtens unter Verschluss. Das Gutachten sollte klären, ob die Schnecke sich mit dem Logistikpark vertrage oder umgesiedelt werden müsse. Das erklärte Andreas Aholt, der Sprecher des Bezirks Bergedorf.
Der Artenschutz war in den vergangenen Jahren in Hamburg immer wieder eine Hürde für den Bau: In den 90er-Jahren hatte der Wachtelkönig den Bau von 3000 Wohnungen in Neugraben-Fischbek verhindert. Und an der Mundsburg sagte der Baukonzern Strabag einst einen Neubau ab, weil dort Fledermauskot gefunden wurde. In Allermöhe liegt seit Jahren ein Bauprojekt auf Eis, weil die Uferschnepfe dort brütet. Nun also die Zierliche Tellerschnecke. Diese ist laut Biologen in Deutschland in ihrer Existenz bedroht. Sie ist zwar selten, aber berühmt: Seit 2004 steht sie unter Schutz, und 2011 wurde sie von der Deutschen Malaozoologischen Gesellschaft (Weichtierkundler seit 1868) zum "Weichtier des Jahres" gekürt.
+++ Im Schneckentempo +++
+++ Die Tellerschnecke ++++
Zwischen Curslacker Neuer Deich und der A 25 soll nach Wünschen der Bergedorfer Politiker ein Technologiepark errichtet werden, unter anderem für "Grüne Logistik". Für das Areal, auf dem teils Schrebergärten liegen, wird ein neuer Bebauungsplan "Bergedorf 99" erarbeitet. Bei Voruntersuchungen dazu wurde im Sommer vergangenen Jahres die "ZTS" entdeckt. "Mehrere Dutzend Exemplare" habe man damals entdeckt, versichert Uwe Czaplenski, Dezernatsleiter von Wirtschaft, Bau und Umwelt im Bergedorfer Bezirksamt. Damit handele es sich um "die größte Population in Deutschland". Czaplenski kennt auch die große Gefahr, die der Minischnecke droht: "Die hohen Logistikgebäude könnten deren Lebensraum verschatten."
Nun wollen die Bergedorfer untersuchen, ob das sensible Weichtier vielleicht umgesiedelt werden könne. Die Untersuchungen könnten bis zu vier Jahre dauern. Dieses "Schneckentempo" wird von der in Bergedorf regierenden SPD begrüßt. "Über die vier Jahre bin ich froh", sagt Werner Omnizcinski, Fraktionschef der Bergedorfer SPD. "Denn damit stehen wir nicht mehr unter Zeitdruck." Jetzt könne man in Ruhe überprüfen, ob man "auf dem Areal wirklich grüne Logistik haben will oder nicht". Omnizcinski bevorzugt den Bau eines Zentrums, das den Handel zwischen Hamburg, Russland, Weißrussland und der Ukraine fördern soll.
Die GAL in Bergedorf hat dagegen eine klare Meinung: "Wir sind für die Umsiedlung der Schnecke und den Logistikpark", sagt Bezirks-Fraktionschefin Liesing Lühr. "Aber nur, wenn grüne Logistik dabei ist." Dieser Begriff scheint noch diffus, beinhaltet aber zum Beispiel die "Verhinderung von Leerfahrten", wie es von der GAL schon im vergangenen Jahr hieß. Auch die CDU Bergedorf hat eine klare Meinung: Sie lehnt den Bebauungsplan mit grüner Logistik ab. "Die Diskussion im Stadtplanungsausschuss hat ergeben, dass ein grundsätzlicher Bedarf an Logistikflächen in Hamburg besteht, konkrete Interessenten an der Fläche in Bergedorf gibt es jedoch noch nicht", sagt der dortige CDU-Fraktionschef Sven Noetzel.