Wegen des seltenen Weichtiers verzögert sich der Bau eines Logistikparks um Jahre. Biologe: Vorkommen ist Indikator für intakte Natur.

Hamburg. Eine winzige Tellerschnecke blockiert ein großes Projekt in Hamburg. Wie das Bezirksamt Bergedorf am Dienstag bestätigte, wird sich der Bau eines Logistikparks in Bergedorf wegen des fünf Millimeter kleinen Winzlings um mindestens drei Jahre verzögern. Das habe das zuständige Bezirksamt im Gespräch mit dem Sender bestätigt. Eigentlich sollte das Millionenprojekt bis zur Internationalen Bauausstellung 2013 stehen. Nach dem Fund der vom Aussterben bedrohten Schnecke sei nun jedoch von 2016 die Rede.

Biologe Dr. Vollrath Wiese vom Haus der Natur in Grömitz-Cismar ist Experte für die kleine Schnecke, die 2011 "Weichtier des Jahres" war. Der Wissenschaftler wirbt um Verständnis, wenn es um die großen Auswirkungen der kleinen Tiere geht: "Das Vorkommen der Zierlichen Tellerschnecke ist ein Indikator für wertvolle Lebensräume". Wo die Schnecke lebe, sei die Natur noch relativ in Ordnung. Die Daten über die kleinen Weichtiere seien wichtig, wenn es um die Erfassung von Daten zum Naturschutz auf EU-Ebene gehe. "Die Forschung und die Lebensräume der Zierlichen Tellerschnecke, lateinisch Anisus vorticulus, werden international aufmerksam beobachtet", sagt Dr. Wiese, Präsident der Deutschen Malakozoologische Gesellschaft, also der Gesellschaft für Weichtierforschung

Hat er denn Verständnis dafür, wenn in Hamburg mit Unverständnis auf den Stopp der Baupläne in Bergedorf reagiert wird? Dr. Wiese antwortet diplomatisch und appelliert an das ökologische Gewissen mit einer Gegenfrage: "Hätten Sie denn Verständnis für Leute, die auf die Kritik, die Meere seien vergiftet und überfischt, antworten, sie würden dann eben nur noch Fleisch essen?" Man müsse Kompromisse zwischen Ökologie und Ökonomie schließen, auch wenn das schwierig sei. "Aber es geht letztlich um die Bedürfnisse von uns allen, wenn es um die Natur geht."

In Bergedorf soll nun versucht werden, einen Teil der zierlichen Tellerschnecken auf Flächen in den Vier- und Marschlanden umzusiedeln. Ob die Umsiedlung erfolgreich ist, zeigt sich nach Angaben des Bezirksamtes im Herbst 2015. Und so lange muss auch die Erschließung des Geländes warten. Zu den Kosten machte das Bezirksamt bislang keine Angaben. Derzeit liefen noch die Voruntersuchungen, hieß es. Zudem hat das Bezirksamt dem Bericht zufolge mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, auch um alternative Zufahrten zu dem Gebiet zu prüfen. Denn die Tellerschnecke hat sich ausgerechnet dort angesiedelt, wo die Einfahrt geplant ist.

(dpa/sta/abendblatt.de)